LE VENT NOUS PORTERA- Justine Otto
12. Juni – 15. September 2021
Museum Abtei Lisborn
Die Malerin Justine Otto (*1974 in Zabrze, Polen) verbindet in ihren Arbeiten Figuration und Abstraktion. Die gegenständlichen Elemente ihrer Malerei gleichen bruchstückhaften Erzählungen, die es zu entschlüsseln gilt. Passagen deskriptiver Klarheit werden von Maskierungen überlagert, die schließlich in eine Auflösung des Bildgegenstandes münden. Motive werden durch grelle Farbakzentuierungen unterbrochen, Figuren lösen sich in ungegenständliche Gebilde auf und Jagdhunde verschmelzen mit abstrakten Landschaften aus diffusen Flächen. Die Materialität der Werke tritt dabei unmittelbar in den Blickpunkt der Betrachtung. Farbflecken und Schleier aus weichen Pastelltönen prägen die Oberflächen und scheinen die Bildelemente zusammen zu halten. Entstehungsprozesse werden sichtbar und drängen sich ins Blickfeld. Auffällig ist dabei die Synthese aus malerischer Akkumulation und Auslöschung. Wie Collagen scheinen die einzelnen Bildelemente arrangiert. Zugleich aber lässt die erkennbare Arbeit mit Material und Oberfläche auf einen gelenkten Zufall schließen. Besonders deutlich wird diese Prozesshaftigkeit ihrer Malerei in einer Reihe von Männerporträts, die in linearer Hängung an barocke Heldengalerien denken lassen. In ihrer Gesichtslosigkeit bleiben die Heldenporträts jedoch ohne Vorbild und es fehlt ihnen damit alles Heldenhafte. Identifikation und Ähnlichkeit spielen bei den Porträts Justine Ottos demnach keine Rolle, stattdessen ist es der blanke Pinselstrich, der sich in den Blickpunkt der Betrachtung drängt. Unbearbeitet bleibt er auf der Leinwand stehen, so wie er gesetzt wurde. Diese Art der Malerei, die keine Korrekturen zulässt, verleiht den Werken ihre Leichtigkeit.
Nicht nur in der Prozesshaftigkeit, sondern auch in der Motivik bestehen offenkundige Verknüpfungen zwischen den einzelnen Werken, die an narrative Allusionen denken lassen. Heldenfiguren, die sowohl im malerischen, als auch im plastischen Werk der Künstlerin in Erscheinung treten, scheinen ihre Verankerung in der Geschichte der Heldendarstellungen zu finden. Dabei wohnt den Figuren, die Justine Otto erschafft, eine Art Dysfunktionalität inne. In Speed äußert sich diese in der Ersetzung der Beine des Pferdes durch schmale hölzerne Stelzen, die beinahe in sich zusammenzubrechen drohen und den Reiter des Pferdes zum Stillstand verdonnern. Ein anderes Motiv, das in den jüngsten Werken der Künstlerin vermehr auftritt, ist das Instrument – vor allem die Gitarre findet sich häufig wieder. Die Künstlerin selbst erklärt diese Motivwiederholung mit der Sehnsucht nach einer präsenten Kulturszene in der gegenwärtigen Zeit.
Die plastischen Arbeiten der Künstlerin stehen in enger Verbindung zu den Ölgemälden, so dass sich optische, wie inhaltliche Parallelen zwischen den Gattungen ergeben. Die in den letzten Jahren entstandenen skulpturalen Objekte ergänzen das malerische Werk Justine Ottos und erzeugen eine spannungsreiche Symbiose zwischen Malerei und Skulptur. Die plastischen Figuren erscheinen wie eine Übersetzung des malerischen Werks in die dreidimensionale Form. Nicht zuletzt die collagenhafte Versammlung der Elemente eint die beiden Medien dabei in ihrer wesentlichen Erscheinung und verbindet sie in ihrer Prozesshaftigkeit.
Mitunter arrangiert die Künstlerin ihre Malereien auch in Rauminstallationen. Mit ihrer Wohnzimmerinstallation schafft Justine Otto eine künstliche Realität, eine Kulisse symbolträchtiger Requisiten. Die vermeintliche Wohnsituation schafft eine schaurige Atmosphäre, die sich aus der Präsenz ausgestopfter Tiere, sowie starrenden Augen und grotesken Szenen kleinformatiger Malereien an den Wohnzimmerwänden ergibt. „Als ob es sich zwischen solchen Stücken leben ließe. Als ob wir nicht eh schon, umringt von grotesken Szenarien, überleben müssen.“ (Martin Oswald, 2017)
Vita
Justine Otto zog im Alter von 8 Jahren von Polen nach Deutschland. Sie studierte freie Malerei an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste in Frankfurt am Main und arbeitete nebenher als Bühnenbildnerin bei den Städtischen Bühnen Frankfurt. Als Meisterschülerin schloss sie ihr Studium 2003 ab. Seit 2016 ist sie Mitglied des MalerinnenNetzWerks Berlin-Leipzig. Justine Otto gilt als wichtige Vertreterin der zeitgenössischen Malerei. Ihre Arbeiten werden international ausgestellt.
Fotos: © VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Museum Abtei Liesborn des Kreises Warendorf
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