GERHARD RICHTER – 54 ZEICHNUNGEN, 3 GRAUE SPIEGEL, 1 KUGEL.
Bis 22.08.2021
Pinakothek der Moderne
Die Pinakothek der Moderne in München wirft einen Blick zurück ins Frühjahr 2020. Das Atelier des Malers ist aufgelassen, der Werklauf der Malereien abgeschlossen. In der weltlichen Abgeschiedenheit des Ateliers entstehen unter Gerhard Richters Hand nunmehr Zeichnungen, die seiner selbst auferlegten Maxime Genüge tun müssen: „Das Eigentliche, das Schwierigste ist aber, etwas zu machen, das gut ist.“ Für die Zeichnung gilt das im Besonderen, da jedes Pentimento, jede Unsicherheit und Inkonsequenz auf dem Papier Spuren hinterlassen würde.
Es ist an der Zeit, in diesem Freiraum jenseits überbordender Diskurse zu seinem Gesamtwerk über Zeichenkunst nachzudenken – Gerhard Richters Zeichenkunst. Konzentriert wird sich hier auf die Auswahl seiner jüngsten graphischen Arbeiten für das Münchner Ausstellungsprojekt. Die Fülle dieses virtuosen Werkblocks ist mit Blick auf sein zeichnerisches Gesamtwerk überraschend. Anstelle eines Intermezzos setzt sie einen fulminanten Schlussakkord.
Schon bei einem ersten Gespräch in seinem Atelier im Juli 2020 werden die Pläne für das Ausstellungsprojekt 54 Zeichnungen ∙ 3 Graue Spiegel ∙ 1 Kugel konkret. Von Anfang an steht außer Zweifel, dass Gerhard Richter einzig aktuelle Zeichnungen, die wenige Wochen zuvor entstanden sind, zeigen möchte. Über die Raumpläne und Ausstellungsansichten macht er sich schnell ein Bild von der Ausgangssituation. Mehr oder weniger wortlos ist klar, dass er sich im sogenannten Vitrinengang keine Werke auf Papier vorstellen möchte, und bittet sich Bedenkzeit aus. Später stellt er mit nur einem Satz fest: „Ich sehe hier eine Möglichkeit für Skulpturen.“
Richter bringt uns in seiner Münchner Ausstellung in Konfrontation mit den Spiegeln in eine kathartische Situation. Gleich einer Leerstelle werfen uns die Spiegel auf uns selbst zurück. 1981 hatte Richter folgende Notiz festgehalten: „Polemisch: Degradierung aller anderen Bilder; Provozierung des Betrachters, der sich selbst anstelle eines Bildes sieht.“ Ob wir die Zeichnungen sehen oder nicht sehen ist nicht mehr die Frage, sondern vielmehr, ob wir in unserem Spiegelbild versinken oder wieder von ihm loskommen. Wem es gelingt, der hat alle Zeit der Welt, sich auf die ausgestellten Zeichnungen einzulassen.
Mit diesem Projekt erörtert die Staatliche Graphische Sammlung München zum wiederholten Mal die Frage nach dem Stellenwert der Zeichenkunst im 21. Jahrhundert als Impulsgeberin innerhalb der bildenden Künste und befragt ihre Rolle als existenzielle Ausdrucksform menschlichen Intellekts und seiner Schöpfungskraft.
Bild-/Textnachweis: Pinakothek der Moderne, 28.2.2020, Bleistift und Ölkreide, 270 x 400 mm
© Gerhard Richter 2020 (22102020)
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