Herbert List „Italia“
20 . Mai bis 31 . Juli 2021
im Rahmen der Photoszene United
Die Galerie Karsten Greve freut sich, mit HERBERT LIST Italia, einem der bedeutendsten Fotokünstler des 20. Jahrhunderts, zum ersten Mal eine Ausstellung in Köln zu widmen. Gezeigt werden Bildessays, Bildreportagen und Portraits aus dem Nachlass des Künstlers, darunter rund 80 Silbergelatine Vintage-Prints, entstanden während Herbert Lists Italienaufenthalten zwischen 1934 und 1961. Als Bonvivant und Bildungsreisender fühlte sich Herbert List Italien ebenso verbunden wie als Künstler, professioneller Fotograf und Sammler italienischer Meisterzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts.
Geboren 1903 in Hamburg als Sohn des Kaffee Importeurs List & Heineken, absolvierte Herbert List 1921 eine Lehre bei einem Heidelberger Kaffee Großhändler. Parallel besuchte er an der Universität Heidelberg Vorlesungen zur Kunstgeschichte und Literatur, unter anderem bei dem Germanisten Friedrich Gundolf, Goethe Kenner und Mitglied des George Kreises. Angeregt durch die Begegnung mit dem Fotografen Andreas Feininger, der ihn mit der Anwendung der Spiegelreflexkamera (Rolleiflex) vertraut machte, widmete sich Herbert List ab 1930 der Fotografie. Unter dem Einfluss des Surrealismus und des Bauhauses fotografierte er Stillleben und Portraits. 1936 emigrierte er nach London und Paris; von 1937 bis 1941 war sein Aufenthaltsort zumeist Griechenland. Um einer Internierung zu entgehen floh er 1941 nach München.
1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kam nach Norwegen. Zurück in Deutschland wurde er nach dem Krieg als Bildreporter der amerikanischen Militärregierung zugelassen und fertigte 1946 die Ruinen Fotos im zerbombten München. Er wurde Kunstredakteur der Zeitschrift Heute. 1952 schloss er sich der internationalen Fotografen Kooperative Magnum in Paris an und bereiste erneut Italien. Buchprojekte wurden vollendet. Seit Mitte der 1960er Jahre widmete er sich fast ausschließlich seiner Sammlung italienischer Meisterzeichnungen. Herbert List verstarb 1975 in München.
Der Nachlass des Künstlers, den Max Scheler von 1975 bis 2003 betreute, wird aktuell von Peer-Olaf Richter in Hamburg verwaltet. Seit der ersten Einzelausstellung 1937 in Paris wurde das Werk Herbert Lists in zahlreichen internationalen Ausstellungen präsentiert und in international renommierten Magazinen publiziert. Seine Arbeiten sind in bedeutenden öffentlichen Sammlungen zu finden, darunter das Metropolitan Museum of Art in New York, das Museum of Fine Art Boston, das Kunsthaus Zürich, das Fotomuseum (heute Sammlung Fotografie) im Münchner Stadtmuseum, das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, das Museum Ludwig in Köln und das Musée Picasso in Paris.
Mit Fotografien von vitalen, sonnenhungrigen „Beach Boys“ an den Küsten Liguriens, auf Capri und Ischia entstanden in den 1930er Jahren Werke von homoerotischer Sinnlichkeit im Sinne einer klassizistischen Ästhetik. Alter, Einsamkeit und Tod beschäftigen Herbert List 1938 im Bildessay über die Altersresidenz Casa Verdi, Endstation für viele Sänger und Musiker der Mailänder Scala. Von 1939 datieren Aufnahmen der Gruften des Kapuzinerklosters in Palermo (Le Catacombe dei Cappuccini) mit den in Kutten eingehüllten Skeletten, deren groteske Mimik durch Nahsicht und Beleuchtungseffekte unheimliche Präsenz gewinnt. Einen weiteren grotesken Bildessay bieten die von Moos und Laub überwachsenen Monstermonumente im Sacro Bosco von Bomarzo (Provinz Viterbo, Latium), der als Weide- und Spielplatz dient. Im Rachen des Orcus, des personifizierten Höllenschlundes, steht ein Hirtenjunge und versucht seine weidende Schafherde zu überblicken. Die 1552 bis 1585 im Auftrag des römischen Fürsten und Kunstmäzen Pier Francesco (auch Vicinio) Orsini durch die Architekten Pirro Ligorio und Giacomo Barozzi da Vignola ausgeklügelte Gartenanlage ist ein Unikum voller Rätsel.
Die Monumentalität der Architektur der Ewigen Stadt macht Herbert List durch Konfrontationen mit Menschen oder Tieren sichtbar, um sie im selben Moment ironisch zu kommentieren: So reckt die gigantische Marmorhand der Kolossalstatue Kaiser Konstantins ihren Zeigefinger hinter dem Kopf eines Mönchs gen Himmel. Unter einem monumentalen Jupiterkopf posiert eine Katze. Für die Serie Blick aus dem Fenster verwendete der Kamerakünstler 1952 zum ersten Mal eine 35mm-Kleinbildkamera (Leica) mit Teleobjektiv, um unbeobachtet Ereignisse auf der Piazza im Stadtteil Trastevere festzuhalten. Für eine Bildreportage über Neapel unternahm Herbert List seit 1957 fotografische Streifzüge durch die Stadt. Seine Sympathie galt den einheimischen Bewohnern: Fischern, Händlern, Handwerkern, Näherinnen und Wäscherinnen, aber auch Nonnen und Priestern, Müßiggängern und Sängern, vor allem den Straßenkindern.
Der Regisseur und Schauspieler Vittorio De Sica, gebürtiger Neapolitaner, übernahm dabei die Aufgabe des Interviews. Im Ergebnis entstand der 1962 veröffentlichte Bildband Napoli, mit Fotografien von authentischen Alltagszenen und O-Tönen der abgebildeten Personen, eine sozialkritisch akzentuierte Gesamtschau der süditalienischen Metropole.
Als ein Sondergebiet der Fotografie von Herbert List präsentiert diese Ausstellung Silbergelatine Vintage-Prints von Portraits der mit Herbert List befreundeten zeitgenössischen Künstler, Schriftsteller und Intellektuellen, darunter Giorgio de Chirico und Giorgio Morandi, Anna Magnani, Wystan H. Auden, Pier Paolo Pasolini und Benedetto Croce, um nur einige Charakterstudien zu nennen, die zu den herausragenden Leistungen der Bildnisfotografie des 20. Jahrhunderts gehören.
Begleitend zur Ausstellung ist zu Herbert List folgende von der Galerie herausgegebene Publikation erhältlich: HERBERT LIST Italia, Text: Matthias Harder, Galerie Karsten Greve, Paris 2020, EUR 12,00.
ÜBER DIE GALERIE KARSTEN GREVE
Karsten Greve, seit zweiundfünfzig Jahren erfolgreicher Kunsthändler und Verleger, eröffnete 1973 seine erste eigene Galerie in Köln mit einer Einzelausstellung von Yves Klein. 1989 kam der Standort Paris (Rue Debelleyme) hinzu und 1999 St. Moritz (Via Maistra). Die Galerie Karsten Greve zählte von Anfang an zu den weltweit führenden Galerien, sie ist regelmäßig auf Kunstmessen wie der ART BASEL, FIAC und TEFAF vertreten und zeigt bis heute wichtige Einzelausstellungen mit Werken international arrivierter Künstler wie Lucio Fontana, Piero Manzoni, Joseph Cornell, Willem De Kooning, WOLS. Ein enger persönlicher Kontakt des Galeristen mit Künstlern der Zeit wie Cy Twombly, Louise Bourgeois, Jannis Kounellis, John Chamberlain und Pierre Soulages schuf die Voraussetzung, dass von Anfang an Vertreter der internationalen Avantgarde nach 1945 das Programm der Galerie bestimmen sollten. Karsten Greves langjährige Zusammenarbeit mit Gotthard Graubner, Pierrette Bloch und Leiko Ikemura hat maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Künstlerinnen und Künstler heute weltweite Anerkennung finden. Die Galerie, die dreißig Künstler vertritt und ihr Programm um internationale Nachwuchskünstler wie Georgia Russell, Claire Morgan, Gideon Rubin und Raúl Illarramendi immer wieder erweitert, ist gleichermaßen führend in Einzelausstellungen sowie höchst anspruchsvollen begleitenden Katalogpublikationen, die von der Galerie Karsten Greve im Eigenverlag herausgegeben werden.
Bildnachweis: Herbert List , Girls Playing in a Passag e wa y , Na ples , Italy , 19 5 9
Silbergelatine Vintage-Print, 28,9 x 21,6 cm / 11 1/3 x 8 1/2 in
GALERIE KARSTEN GREVE
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