Tammam Azzam – Bilder ohne Namen
29. April 2021 – 19. Juni 2021
Galerie Kornfeld
Tammam Azzams Papiercollagen und Acrylgemälde sind seit nunmehr zwanzig Jahren „Bilder ohne Namen“. Damit überlässt er es den Betrachter*innen, das Dargestellte zu deuten. Sind die Werke abstrakt? Oder noch gegenständlich, und wenn ja: was ist zu sehen? Zeigen sie die Zerstörungen in Syrien, wo seit zehn Jahren Krieg herrscht, ohne dass die Weltgemeinschaft eine Lösung findet? Oder malt er seine neue Heimat Berlin? Eine Stadt, die immer wird und niemals ist, eine Stadt auch, in der die Wunden und Leerstellen, die der Zweite Weltkrieg und die Teilung Berlins von 1945 bis 1989 hinterlassen haben, bis heute spürbar sind.
Eine ästhetische Erfahrung ist kein Appell, und ein Bild keine Agitation. Aber l’artpour l’art, eine Kunst nur um der Kunst willen, ist Tammam Azzam zu wenig. Seine Werke regen uns an, über uns selbst und über die Welt, in der wir leben, nachzudenken. Sie stellen Fragen, geben aber keine Antworten, denn: was wir denken, sehen, fühlen, das dürfen wir selbst herausfinden. Wer in Tammam Azzams Werken Hinweise auf die Situation in seinem Heimatland findet, darf das tun.Tammam Azzam selbst aber betrachtet die Geschehnisse in Syrien seit 2011 immer auch als zeichenhaft für den Zustand unserer Welt am Beginn des 21. Jahrhunderts. Mit den Mitteln der Kunst thematisiert er die drängenden Fragen unserer Zeit wie Krieg, Gewalt, Migration, Zerstörung und Aufbau und findet dafür Bilder, die unmittelbar auf unsere Emotionen zielen und sich ins Gedächtnis einbrennen.
Sein Lebensweg führte Tammam Azzam von Syrien und Damaskus über Dubai und Delmenhorst bis nach Berlin, wo der Künstler seit 2018 mit seiner Familie lebt und arbeitet. Ausgebildet als Maler umfasst sein Werk eine Vielfalt von Techniken und Stilen. Auf die reduzierten, beinahe abstrakten Gemälde der Anfangsjahre folgen Fotomontagen, in denen der Künstler nach seiner Ankunft in Dubai offensiv den Konflikt in seinem Heimatland Syrien thematisiert. In Deutschland angekommen fertigt er bildhafte Collagen aus bis zu 50.000 kleinen und kleinsten Papierschnipseln an, die er zuvor meist selbstbemalt hat. Diese fügt er in mehreren Schichten zu abstrahierten, mosaikartigen Darstellungen von Menschen, Gebäuden und Strukturen zusammen. Aktuell entstehen wieder vermehrt Acrylbilder, in denen Tammam Azzam thematisch und formal das weiterführt, was er 2016 mit seinen Papiercollagen begonnen hat.
TammamAzzam (*1980 in Damaskus, Syrien) war 2016 Fellow des Hanse-Wissenschaftskollegs, Institute for Advanced Study, in Delmenhorst und lebt seit 2018 in Berlin. Seine Werke finden sich in Stiftungen und Sammlungen in Europa, im Nahen Osten und in den USA. Sie werden weltweit ausgestellt, u.a. im Middle East Institute in Washington, USA (2021), im Aga Khan Museum in Toronto, Kanada und dem Rudolf Stolz Museum in Tirol, Italien (beide 2020), im Kunstverein Iserlohn „Villa Wessel“(2019), der Ayyam Gallery, Dubai (2019 und 2016), der For-Site Foundation, San Francisco, USA (2017, 2016) und im Stadtmuseum Oldenburg (2017). 2021 wird er neben Künstlern wie Monica Bonvicini, Rebecca Horn oder Lawrence Weiner mit einer Säule in der von Bernd Zimmer initiierten Stoa 169, der Künstlersäulenhalle in Polling, vertreten sein. Tammam Azzam erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, zuletzt den Creative Activism Award des Cultures of Resistance Network.
Anlässlich der Ausstellung „Bilder ohne Namen“ erscheint eine gleichnamige Publikation im Hirmer Verlag, die den künstlerischen Weg von Tammam Azzam über 20 Jahre nachzeichnet: Hardcover, 192 Seiten, mehr als 120 Farbabbildungen, Texte von Avinoam Shalem, Mamuka Bliadze und Regine Müller.
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