ZUM UMZUG
12. bis 28. April 2024
H4 Media Museum Berlin
Valeska Brinkmann
Stephanie Fernandes
Angélica Freitas
Ana Hupe
Vier Autorinnen aus vier Städten Brasiliens stellen vom 12.–28.4. gemeinsam aus
Aus Sicht Brasiliens: Poesie und politische Resonanzen in Berlin
Welche Stadt übersetzt eine Karte? Was passiert mit der Sprache, wenn man umzieht? Ist ein Notizbuch auf der anderen Seite des Ozeans noch dasselbe? Die brasilianischen Schriftstellerinnen und Künstlerinnen Ana Hupe, Angélica Freitas, Stephanie Fernandes und Valeska Brinkmann springen von der Bahn aufs Trampolin, verzichten auf die obligatorische Brille, um Fremde, Vögel und Insekten zu beobachten, und verwischen in einer Reihe von visuellen Gedichten die Grenzen zwischen Wort und Bild, indem sie ihr eigenes Vokabular erfinden, um Berlin, das Wohnen, die Fremdheit und andere Unruhen zu verstehen.
In der Ausstellung Zum Umzug wird eine Auswahl politischer Gedichte und Kunstwerke gezeigt. Die Arbeiten nähern sich den Themen Migration, Landschaft und städtische Wohnverhältnisse aus einer vielschichtigen Perspektive – sowohl sprachlich als auch medial: Valeska Brinkmann arbeitet für Radio und Fernsehen, lebt seit über zwanzig Jahren in Berlin und hat zuletzt zwei Gedichtbände veröffentlicht; Stephanie Fernandes ist Literaturübersetzerin, lebt erst seit drei Jahren in Berlin und hat zuletzt Virginia Woolfs Mrs. Dalloway ins Brasilianisch-Portugiesische übersetzt; Angelica Freitas lebt seit ihrem einjährigen DAAD-Literatur Stipendium 2020 in Berlin und ist eine vielfach ausgezeichnete Autorin von Gedichten, Comics, Musik- und Theaterstücken; Ana Hupe ist bildende Künstlerin und Autorin, die seit zehn Jahren in Berlin lebt und mit recherchebasierter Kunst arbeitet und sich für die Geschichte des Widerstands interessiert, die sie in narrativen Installationen neu schreibt.
Die ausgewählten visuellen Gedichte verbinden Alltagssituationen mit historischen Episoden, Beobachtungen der Stadt Berlin mit Erinnerungen, die nicht selten kulturelle Unterschiede thematisieren. Die Formate der Gedichte variieren, oft traditionell geschrieben, als Worte auf einer Fläche, oft als Performance, Zeichnung, Skulptur oder installatives Objekt.
Historische Epochen und Situationen, die auf eine Überschneidung der Kulturen, auf Synkretismus oder Transkulturalität hindeuten, treffen aufeinander: Die Werke machen deutlich, dass das Zusammentreffen von Kulturen mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Mächten nicht harmonisch ist, dass die Geschichte asymmetrisch ist. Der brasilianische Schriftsteller und Übersetzer Muniz Sodré verwendet den Begriff „Transkulturalität“ und spricht von „Modulationen“, die zwischen einem System und einem anderen verlaufen – wobei er „trans“ im wörtlichen Sinne als „Durchgang“ versteht. Der daraus resultierende Austausch ist nicht von Versöhnung oder gar Harmonie geprägt, sondern öffnet den Weg zu neuen Bedeutungen, die aus Reibung und Widerstand entstehen.
„Reinheit ist ein Mythos“ – der berühmte Satz des brasilianischen bildenden Künstlers Helio Oiticica klingt in Zeiten einer sich abzeichnenden Migrationskrise in Deutschland, gemeint ist z.B. die jüngst angekündigte „Abschiebepolitik“, immer lauter.
Der politische Aufstieg der extremen Rechten und das Gewicht der aktuellen Kriege schaffen eine Situation, in der Poesie als Gegenmittel gesucht wird. In der Ausstellung vermischt sich die politische Atmosphäre mit dem Gleichgewicht des Alltags. Wie in Kafkas berühmtem Gedicht, das er in sein Tagebuch schrieb: „2. August 1914: Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. – Nachmittags Schwimmschule.“
Der Ausstellungstext stammt von Adelaide Ivanova (@adelaide_ivanova), Lyrikerin aus Recife im Nordosten Brasiliens, die seit 15 Jahren in Berlin lebt. Sie ist Journalistin und Aktivistin für Wohngerechtigkeit und arbeitet in den Bereichen Poesie, Fotografie, Performance, Übersetzung, politische Bildung und Verlagswesen. Ihre Gedichte und Essays wurden ins Deutsche, Galizische, Englische, Katalanische, Spanische, Griechische, Italienische, Estnische, Schwedische und Russische übersetzt. 2018 erhielt sie für ihren zweiten Gedichtband „o martelo“ den Literaturpreis von Rio.
Bildnachweis: Ana Hupe, If You Throw A Mediterranean Stone (2024)
H4 Media Museum Berlin
Leuschnerdamm 19
10999 Berlin
Besuch nach Vereinbarung: zumumzug2024@gmail.com
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