WILLIAM ANASTASI
22. Oktober 2021 – 08. Januar 2022
Thomas Rehbein Galerie
Am Anfang stand das Wort „bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk“. Das gewaltige, 100 Buchstaben lange, sich über mehrere Zeilen auf der ersten Seite von James Joyces Finnegan´s Wake erstreckende sprachliche Riesengebilde veranschaulicht das Dröhnen der Stimme Gottes. Als Kompositum besteht es aus den Wörtern für „Donner“ in zehn verschiedenen Sprachen, von Madagassisch bis Gotisch. In der Joyce-Forschung als „Zehndonner“ oder „Donnerwort“ bekannt, bildet die freie Wortschöpfung den für Joyce höchst eigenwilligen Umgang mit Sprache ab.
Dieses „Donnerwort“ in seiner rein visuellen Erscheinungsform bildet den Ausgangspunkt für William Anastasis nach den ersten sieben Buchstaben benannte Werkgruppe „bababad“, die meist großformatige Gemälde, aber auch Zeichnungen und Radierungen umfasst. Darin bildet Anastasi seit 1986 bis heute fortlaufend kleine Ausschnitte des Wortes ab. Die vollständige Übertragung der Buchstabenfolge des Wortes wird schließlich circa 45 Gemälde unterschiedlichen Formates ergeben.
Bababad O, 2021 Ölkreide auf Leinwand / Oilstick on Canvas 227 x 188 cm |
In seiner Übertragung des Schriftbildes in das gemalte oder gezeichnete Bild übernimmt Anastasi die exakte typografische Darstellung der ihm vorliegenden Viking Press Ausgabe des sperrigen letzten Romans von Joyce, welches von der Literaturwissenschaft unter die rätselhaftesten Werke des 20. Jahrhunderts gezählt wird.
Jedes der „bababad“ Werke von Anastasi besteht aus der starken Vergrößerung eines einzelnen Buchstaben oder einer Abfolge von 2 bis 4 Buchstaben, bisweilen auch halbiert. Die Buchstaben heben sich von einem abstrakten malerischen Hintergrund ab, den Anastasi mit farbiger Ölkreide in der Art seiner „Blind Drawings“ füllt: Um ästhetische und abbildende Kriterien zu umgehen, zeichnet er mit verbundenen Augen. Damit schließt er jede vorsätzliche künstlerische Entscheidung aus, überlässt sich ganz dem Zufall der Farbwahl sowie den spontanen Bewegungen des Körpers vor der Leinwand. In diesem All-over der gleichsam unmotivierten, farbigen Striche und Schraffuren bilden sich die mit Grafit gezogenen Konturen der Lettern mal schwach, mal stark heraus. Derartige Varianten in der Machart führen zu verschiedenen Farbstimmungen und Intensitäten und damit Modulationen des Wortes. Durch den monumentalen Maßstab nimmt das Wort eine körpernahe Dimension an, erfordert die Bewegung des Betrachters/Lesers im Raum und erscheint dadurch in seiner sinnfreien noch gesteigert.
„Mit gefällt, dass es ein Wort ist, aber zugleich auch kein Wort ist. Es ist ein Wort, aber es ist nutzlos im Sprachgebrauch. Es wurde von einem einzelnen Autor ein einziges Mal gebraucht.“ (Anastasi)
Die Wortschöpfung von Joyce ist auf der Sinnebene, also durch die eindeutige Zuordnung von Signifikant und Signifikat, die das sprachliche Zeichen wesentlich bestimmen, ohne weiteres nicht zu entschlüsseln. Der Bezug zwischen Form und Inhalt ist häufig aufgehoben, der Leser damit zurückgeworfen auf die unmittelbare Ansicht der Schriftzeichen, auf das Schriftbild. Neben diesem, und in gleichem Maße, tritt das Lautbild, die phonetische Komponente des Wortes, in Erscheinung. Als akustisches Phänomen erklingt das „Donnerwort“ in seiner lautmalerischen Eigenschaft und entspricht somit dem Grollen des Donners: „Es ist ein Wort, das einen Klang beschreibt, ein klingendes Wort.“ (Anastasi)
Anastasi nun erfasst in seiner Werkgruppe „bababad“ sowohl die visuelle als auch die akustische Dimension des Joyce´schen Zeichens. Damit lässt sich seine künstlerische Vorgehensweise mit der literarischen Praxis von Joyce vergleichen. Joyce setzt oftmals die Funktion von Sprache, auf eine außersprachliche Realität zu verweisen und damit über sich hinaus zu weisen, außer Kraft. Sein Anliegen ist es stattdessen mittels ungewöhnlicher Wortkombinationen und grafische Manipulationen des Schriftbildes die Lesbarkeit zu unter- und zu durchbrechen. Vor allem aber sucht er die materielle Realität der Sprache selbst in den Vordergrund der Rezeption, überhaupt der Wahrnehmung, zu rücken. Durch die Auslotung zweckungebundener, kreativer Möglichkeiten der sprachlichen Substanz entwirft er eine Sprache, die stört, die den Sinn als Ziel konventioneller Kommunikation gleichsam sabotiert.
In seinem künstlerischen Schaffen, welches sich vielfach mit Sprache auseinandersetzt, konterkariert Anastasi ebenfalls Vorgänge der Repräsentation, in dem er, so Anastasi, „einfache, so einfach wie es nur einfach geht, sogar dumme“, also rein selbstbezügliche Werke produziert. Auf einer formal-bildnerischen Ebene ergibt die unterschiedliche Gestaltung der Buchstaben in „bababad“ durch die kontrastierende Wirkung der Farben gleichwohl synästhetische Effekte, lautere und leisere Töne. Sie sprechen ganz konkret – jenseits einer Abbildhaftigkeit beziehungsweise einer vom Intellekt zu leistenden Abstraktion – die sinnliche Erfahrung an. Damit thematisiert Anastasi, in enger Anbindung an Joyce, die konkret materielle Realität des Wortes, der Sprache in Bild und Ton schlechthin.
Textnachweis: Bettina Haiss, Köln 2021, nach: Thomas Rehbein Galerie
Bildnachweis (Titelbild): Bababad baba, 1986, Ölkreide auf Leinwand / Oilstick on Canvas, 257 x 549 cm
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