Laufzeit: 01.02. –25.02.2021

Die Kunsthalle Gießen freut sich die Arbeiten von Raphaela Vogel als erste Künstlerin der Reihe INSIDEOUT zu präsentieren.

Bildnachweis: Raphaela Vogel, Installationsansicht, Ultranackt, Blick auf Uri, 2018, Kunsthalle Basel, 2018. Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel

Mit dieser Reihe reagiert die Kunsthalle Gießen auf den aktuellen Lockdown und den damit verbundenen Schließungen von Kulturinstitutionen. Im Schaufenster des Hauses werden vom 1. Februar bis 18. April 2021 monatlich wechselnde künstlerische Positionen gezeigt. Das besondere Format bringt trotz Schließung aktuelle Kunst in den Außenraum, die damit weiterhin für Besucher*innen zugänglich gemacht wird. Für die erste Ausstellung konnte die die Berliner Kuratorin Gesine Borcherdt gewonnen werden.

Weißes Silikon, wie schockgefrorene Körpersäfte. Aufgespannte Tierfelle, als wären sie gebrochene Flügel. Die Installationen von Raphaela Vogel (geboren 1988 in Nürnberg, lebt und arbeitet in Berlin) appellieren an alle Sinne. Sie sind forsch und fordernd, verträumt und intensiv, humorvoll und melancholisch, widersprüchlich und provokant. Viele beziehen sich auf Tiere. Aber auch Marsias und Arachne sowie Musikcollagen aus Klavierkompositionen, Drohnensounds und schrillen Schlagern kommen immer wieder vor, ebenso wie die Künstlerin selbst, wenn sie in ihren Videos auftaucht. Vogels Arbeiten bilden Kreisläufe:
intuitiv, verzerrt, unwirklich und genau deshalb in sich stimmig. Allgegenwärtig ist das innere Druckgefühl einer Künstlerin, deren Werk wie in einem hypnotischen Bewusstseinsstrom alles mit sich reißt – und die der Gegenwartskunst eine ganz neue feministische Bildsprache verleiht.

Für INSIDEOUT im Schaufenster der Kunsthalle Gießen stellt Raphaela Vogel eine Reihe von „Uris“ auf: Weiße Silikonabgüsse von freistehenden Urinalen, wie sie an Stränden oder auf Festivals benutzt werden. Die seltsamen, skelettartigen Formen wirken, als würden sie selbst gerade brav anstehen, bis sie an der Reihe sind. Trotz ihrer expressiven Erscheinung sind sie beinahe identisch und weisen keine signifikant individuelle Handschrift auf – ihre Figuren entstehen allein durch das Material, das an den Pissoirs herabgelaufen ist.

Über ihnen ist an der Wand eine riesige bemalte Collage aus Elch- und Pferdehäuten angebracht. „Der Zahn“ erinnert in seiner Zuspitzung an eine Zahnwurzel, doch vor allem greift er eine Form auf, die bei Raphaela Vogel immer wieder auftaucht: das Dreieck. Als stärkster Kontrast zum virilen Rechteck, wie es die meisten Architekturen bestimmt, findet sich in ihm eine Metapher, die bei INSIDEOUT besonders ins Auge springt: Wie ein Schamdreieck dominiert es die Wand als riesiges weibliches Genital, das zugleich abstrakte Malerei ist. Vogel spielt damit auf eine Disziplin an, die besonders für männliche Kunstgeschichte steht. Schon früh hat die Künstlerin Leder bemalt und so eine neue Freiheit von der vorbelasteten Leinwand erlangt, zumal Tierhäute bereits eine Bedeutung transportieren.

Es ist diese obskure Körperlichkeit, die Raphaela Vogels Werk auszeichnet. Kombiniert mit neuesten Materialien und Techniken, denen jedoch stets etwas Brüchiges anhaftet, entstehen Erzählungen in einer ganz eigenen, dystopischen Bildsprache – voller Scharfsinn, Symbolkraft und Humor, die weit über den Zeitgeist unserer digitalen Epoche hinausgeht.

Raphaela Vogel lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte an der Kunstakademie Nürnberg und an der Städelschule in Frankfurt. Ihre letzten Einzelausstellungen fanden u.a. im Neuen Museum Nürnberg (2020), im Kunsthaus Bregenz (2019), im Haus der Kunst München (2020), in der Berlinischen Galerie (2018) und in der Kunsthalle Basel (2018) statt. Zudem nahm sie u.a. an den Gruppenausstellungen DREAM BABY DREAM im Haus Mödrath, Kerpen (2020), Mythologies – The Beginning and End of Civilizations in Aarhus (2020), Game of Drones im Zeppelin Museum Friedrichshafen (2019) und Jeunes Artistes en Europe in der Fondation Cartier in Paris (2019) teil.

Gesine Borcherdt ist Kunstjournalistin und Kuratorin und lebt in Berlin. Sie ist Autorin bei der Welt, Welt am Sonntag, BLAU International und AD Germany und war leitende Redakteurin des Kunstmagazins BLAU. Von 2014 bis 2019 war sie als Kuratorin des Kunstraums CAPRI in Düsseldorf tätig. 2020 kuratierte sie die Ausstellung DREAM BABY DREAM im Haus Mödrath in Kerpen. Derzeit arbeitet sie an einem Interviewbuch mit VALIE EXPORT.

 

Manuela Skrabanik
Kulturamt
Kunsthalle Gießen


Universitätsstadt Gießen

Der Magistrat
Berliner Platz 1
35390 Gießen
Telefon: 0641 306-1041
Telefax: 0641 306-2020
E-Mail: manuela.skrabanik@giessen.de
www.giessen.de

(Visited 176 times, 1 visits today)