25. Februar bis 23. März 2024

Galerie Ohnesorge, Bremen


So beginnt eine Erzählung von Thomas Mann, die die Stimmung eines Juni-Nachmittages im Herzen von München um 1900 einfängt. Damals vor 120 Jahren war München eine sehr lebendige Kunststadt, die mit der Reichsmetropole Berlin konkurrierte.
Der Odeonsplatz und die angrenzenden Straßenzüge waren noch keine Shopping-Meile mit historischen Fassaden. Damals wimmelte es in der Nähe zur Residenz von »Kunstschreinereien und Basaren für moderne Luxusartikel (…), kleinen Skulptur-, Rahmen- und Antiquitätenhandlungen, aus deren Schaufenstern dir die Büsten der florentinischen Quattrocento- Frauen voll einer edlen Pikanterie entgegenschauen. Und der Besitzer des kleinsten und billigsten dieser Läden spricht dir von Donatello und Mino da Fisole, als habe er das Vervielfältigungsrecht von ihnen persönlich empfangen…« (Thomas Mann, Gladius Dei, 1902) Dort, wo heute einzig noch Florian Sundheimer als einer der letzten Kunsthändler am Odeons-Platz heroisch einen höheren ästhetischen Anspruch verteidigt, bildeten Kunst und Künstler ebenso wie der aktuelle Konzertbetrieb Thema des gebildeten Flaneurs, der im Café am Hofgarten sein Getränk zu sich nahm. Wurde damals vor allem über die einheimischen Münchener Künstlerfürsten und ihre Werke diskutiert, so findet man heute Münchener Künstlerinnen und Künstler eher am Rande des Kunstdiskurses. Die großen innerstädtischen Museen stellen aus, was alle großen Museen in Deutschland ausstellen, und es fällt interessierten Besuchern schwer, sich ein Bild über die Münchener Kunst nach 1935 bis hinein in die Gegenwart zu machen. Die Städtische Galerie im Lenbachhaus oder die bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit sehr guten Beständen an Münchener Nachkriegskunst haben bis jetzt noch nicht erkannt, welches Potential in Ihren Depot-Beständen verborgen ist. Von den 1950er Jahren an bis in die Gegenwart haben gute Künstlerinnen und Künstler in und um München markante und originäre Werke geschaffen, die ein wichtiger Beitrag zu einer deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts sind. Engagierte Galeristen haben mit ihren Ausstellungen internationaler Kunstströmungen seit den späten 1950er Jahren jungen Münchener Künstlerinnen und Künstlern wichtige Impulse für ihre eigene Werkentwicklung gegeben, so z.B. ein Otto van de Loo mit den Vertretern der CoBrA-Gruppe.
Diese inspirierten im Umfeld der Münchener Künstlergruppen WIR, SPUR und GEFLECHT ganz originäre abstrakte malerisch- bildhauerische Positionen, die in ihrer komplexen Verdichtung und individuellen Vielfalt so nur in München zu finden waren. Dazu gehören nicht nur Lothar Fischer, Heimo Naujoks,
Heimrad Prem, Helmut Rieger oder Helmut Sturm, sondern auch jene Einzelgänger Heiko Herrmann oder Hans-Reinhard Lehmphul, die in diesem Umfeld ein eigenständiges Werk schufen. Es gab den Galeristen Günther Franke, der neben der klassischen Avantgarde früh schon Künstlerinnen wie Priska von Martin und Christa von Schnitzler ausstellte, ebenso wie deren Lehrer Toni Stadler, der mit seinen Schülern Michael Croissant und Herbert Peters zu den wichtigen Münchener Bildhauern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt. Parallel zu abstrakt oder informell arbeitenden Künstler wirkten und wirken in München auch Vertreter einer stärker der Tradition verbundenen Malerei, die an klassischen Themen wie Landschaft, Stillleben und Menschendarstellung festhielten und hier eine eher französisch inspirierte Malkultur pflegten und weiterentwickelten. So schufen, vom offiziellen Kunstbetrieb weitgehend ignoriert, neben anderen ein Rudi Tröger oder Hermann Teuber oder in der nachfolgenden Generation auch Richard Vogl und Thomas Weczerek eine wunderbar lebenskräftige gegenständliche Malerei. Bis heute leben und arbeiten in und um München zahlreiche bemerkenswerte Künstlerinnen und Künstler. Einige von ihnen waren oder sind fest im Ausstellungsprogramm der Galerie OHNESORGE vertreten und haben mit ihrer Kunst über Jahrzehnte hinweg Freunde, Sammler und Sammlerinnen in Bremen und im weiteren Nordwesten gefunden. Mit über 50 Werken möchte die Bremer Ausstellung ein kleiner Beitrag zu einer noch zu schreibenden Geschichte der Münchener Kunst der letzten 70 Jahre sein. (Dr. Birk Ohnesorge).
CHRISTINA VON BITTER, MICHAEL CROISSANT, LOTHAR FISCHER, HEIKO HERRMANN, CLEMENS KALETSCH, H E I N R I C H K I R C H N E R, HANS-REINHARD LEHMPHUL, PRISKA VON MARTIN, HERBERT P E T E R S, HELMUT RIEGER, WOLFRAM SCHEFFEL, C H R I S TA VON SCHNITZLER, TONIS TADLER, HELMUT STURM, HERMANN TEUBER, RICHARD VOGL, RUDOLF WACHTER, THOMAS WECZEREK

Bildnachweis: Detail vom Ausstellungsplakat MÜNCHEN LEUCHTET der Galerie Ohnesorge in Bremen. 2024.


Galerie OHNESORGE
Contrescarpe 36, 28203 Bremen, Telefon 0421 327 550,
kunst@galerie-ohnesorge.de, www.galerie-ohnesorge.de

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