MICHAEL MÜLLER – DER GESCHENKTE TAG. KASTOR & POLYDEUKES
14. Oktober 2022 bis 19. Februar 2023
Pressevorbesichtigung: 14. Oktober 2022, 9.30 Uhr
Städel Museum, Sammlung Gegenwartskunst
Das Städel Museum präsentiert vom 14. Oktober 2022 bis 19. Februar 2023 eine Einzelausstellung des deutsch-britischen Künstlers Michael Anthony Müller (*1970). In drei Ausstellungsteilen führt der Künstler die Besucher mit einer raumfüllenden Arbeit, Zeichnungen, Gemälden und einer Skulptur in die mythologische Welt der griechischen Antike.
Im Zentrum der Ausstellung steht die Arbeit Der geschenkte Tag (2021–2022), die auf dem Mythos der Dioskuren, der Zwillinge Kastor und Polydeukes, basiert.
Nachdem das unzertrennliche Brüderpaar durch den Tod des sterblichen Kastor im Kampf auseinandergerissen worden ist, gewährt ihm Zeus abwechselnd je einen Tag im Hades, dem Reich der Toten, und einen Tag im Olymp unter den Göttern. Ein Prolog mit Zeichnungen und einer Skulptur des Künstlers im Zusammenspiel mit Papierarbeiten aus der Sammlung des Städel Museums führt in den Mythos ein. Mit der ortsspezifischen Arbeit Der geschenkte Tag lässt Müller zudem unterschiedliche Konzepte von Zeit in einen Dialog treten: zum einen die physikalische Vorstellung von Zeit, die eine Unterteilung von Zeitabschnitten in objektive Einheiten erlaubt, zum anderen die menschlich-existenzielle Zeit, die sich dieser strikten Unterteilung entzieht. Die Arbeit misst insgesamt 6 × 65 Meter und besteht aus 24 großformatigen Leinwänden. Sie symbolisieren die 24 Stunden des Tages und wurden vom Künstler ausschließlich zur jeweiligen Stunde, für die die jeweilige Leinwand steht, bemalt. Die Ausstellung findet ihren Abschluss in den Gartenhallen, wo Müller weitere Werkgruppen präsentiert und die Besucher buchstäblich in die „Unterwelt“ begleitet.
Im Städel Museum entfaltet Müller mit den Mitteln der Malerei und über ihre Grenzen hinaus eine vielschichtige künstlerische Reflexion über die Bedeutung von Zeit, Sterblichkeit sowie überzeitlicher Liebe. Dabei wägt er auch die Möglichkeiten der Abstraktion ab und stellt die entscheidende Frage: Kann ein abstraktes Kunstwerk eine Geschichte erzählen?
„Die Besucher des Städel Museums sind eingeladen, in die Bildwelt Michael Müllers einzutauchen. Seine Gemälde zeigen eine kontemplative, nahezu meditative Arbeitsweise, die den Entstehungsprozess der Werke mitdenkt und thematisiert. Das Städel Museum präsentiert mit der Einzelausstellung zu Michael Müller einen Künstler, der in seinen neuesten Werken die Bedeutung und Grenzen der Malerei im 21. Jahrhundert reflektiert“, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums.
Svenja Grosser, Kuratorin der Ausstellung, führt weiter aus: „Vermeintliche
Gegensätze wie Tag und Nacht, Tod und Leben, Realität und Abstraktion, Abbild und Bild werden in den Arbeiten Michael Müllers nicht nur gegenübergestellt, sondern auf der Leinwand zusammengefügt. Dabei spielen kulturelle und historische Bedingungen ebenso eine Rolle wie das Ausloten der Möglichkeiten von Malerei – ein elementarer Bestandteil von Müllers konzeptueller Arbeitsweise.“
Prolog
Im Prolog der Ausstellung präsentiert Michael Müller sowohl Werke aus der Sammlung des Städel Museums als auch eigene Arbeiten, mit denen er in zentrale Themen des Dioskuren-Mythos und seiner Rezeption einführt. Das unzertrennliche Zwillingspaar – in einer Nacht von verschiedenen Vätern als Söhne der Leda gezeugt – wird mit dem Tod des sterblichen Kastors im Kampf auseinandergerissen.
Der göttliche Polydeukes bittet seinen Vater Zeus, er möge ihm die Untersterblichkeit nehmen, um mit Kastor im Hades, dem Reich der Toten, wieder vereint sein zu können. Gerührt von der Liebe der Zwillinge, schenkt Zeus den Dioskuren die Möglichkeit, fortan gemeinsam jeweils abwechselnd einen Tag im Reich der Toten und auf dem Olymp unter den Göttern zu verbringen.
Der Fall in die Unterwelt findet sich in Hendrick Goltzius’ vierteiliger Folge der Vier Stürzenden aus dem Jahr 1588 wieder. Die Kupferstiche zeigen mythologische „Himmelsstürmer“, die gegen die Gebote der Götter verstießen und mit dem Tod bestraft wurden. Die Zeichnung Zwei sitzende Männer, in einen Handspiegel blickend, und ein sitzender Knabe, die der italienische Maler und Zeichner Jacopo Pontormo 1520 anfertigte, greift sowohl das Motiv des Bruderpaars als auch das des Spiegels auf: Kastor und Polydeukes sind als Zwillinge das menschliche Abbild des jeweils anderen. Michael Müller knüpft mit seiner Skulptur Dioskuren (Aplysia Speculum Figura) (2022) an den Spiegel-Topos an, indem die Bronzeplastik des Pferdekopfes – ein Verweis auf Kastors Dasein als Rossebändiger – anhand eines Spiegels verdoppelt wird. Das Narrativ von Kastor und Polydeukes findet sich in seinen Grundzügen auch in der vedischen Mythologie des Hinduismus, auf die der Künstler mit den symbolischen Handgesten, den Mudras, in seinen Zeichnungen सैंडक्रैपेमुद्रा (Saindakraipe Mudra), आत्मसमपपण मुद्रा (Aatmasamarpan Mudra) und ईगल व िंग मुद्रा (Eegal Ving Mudra) Bezug nimmt. Sie zeigen, dass auch dem menschlichen
Körper aufgrund seiner vertikal verlaufenden Mittelachse eine Dopplung bzw. Spiegelung eingeschrieben ist, die durch die nebeneinander hängenden Zeichnungen der ausgestreckten Arme des Künstlers betont wird.
Der geschenkte Tag
Das Herzstück der Ausstellung ist die titelgebende Arbeit Der geschenkte Tag (2021 –2022), die mit einem Maß von 6 × 65 Metern den gesamten Ausstellungsraum einnimmt. Sie setzt sich aus 24 großformatigen Leinwänden zusammen und gibt den Verlauf eines ganzen Tages wieder. Zu jeder Stunde des Tages hat Michael Müller an der jeweils korrespondierenden Leinwand über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder gemalt, mit Acryl, Lack und häufig direkt mit der Hand. Die Unterteilungen der Arbeit hat der Künstler an einigen Stellen verstärkt und betont, an anderen Punkten wiederum durch Übermalungen negiert und die Leinwände so miteinander verbunden. Dieses Vorgehen zeigt zwei ineinandergreifende Zeitmodelle an: das andauernde, subjektive Fließen der Zeit und ihre objektive Segmentierung in gleichförmige Einheiten. Michael Müller fügt der Arbeit weitere zeitliche Ebenen hinzu, indem er in verschiedenen drucktechnischen Verfahren digital bearbeitete Fragmente aus bereits zuvor gemalten Bildern als Grundlage für das Gemälde verwendet. Einige Teile von Der geschenkte Tag wurden darüber hinaus im Entstehungsprozess fotografisch dokumentiert und tauchen als manipulierte Druckvorlagen an unterschiedlichen Stellen in den Leinwänden wieder auf, sodass sich die verschiedenen Zeitschichten überlagern und gegenseitig verstärken oder sogar auslöschen.
Hades
Der gemeinsame Tag, den Kastor und Polydeukes im Olymp verbringen, wird abgelöst von der Zeit im Hades. In den Gartenhallen, im dritten Teil der Ausstellung, präsentiert Michael Müller u. a. seine gleichnamige Serie, die Motive der Arbeit Der geschenkte Tag aufgreift: Ein einziges, aus dem gesamten, monumentalen Werk generiertes Bild ist die Grundlage für die zwei Gemälde Tyndareos’ Überfahrt (Widerspruch zur Wirklichkeit) sowie Kastor und Polydeukes, die Den geschenkten Tag als Erinnerung wieder aufleben lassen.
Michael Müller (geb. 1970 in Ingelheim am Rhein) lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Bildhauerei und Bildende Kunst an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Magdalena Jetelová, bevor er für acht Jahre im Hochhimalaya in Alchi und Changspa (Ladakh) lebte. Von 2015 bis 2018 war er Gastprofessor an der Universität der Künste Berlin. Seine Gemälde, Skulpturen, Videoarbeiten, Performances und Installationen waren in internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen zu sehen.
Der Ausstellungszyklus Achtzehn Ausstellungen umfasste von 2013 bis 2017 insgesamt 33 Ausstellungsprojekte und vier Performances, präsentiert in der Galerie Thomas Schulte, im KW Institute for Contemporary Art und in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden. 2017 wurde er für den Kunstpreis der Böttcherstraße, Bremen, nominiert. 2013 war er einer der Nominierten für den Berliner Kunstpreis und Gewinner des Sanofi Art Project.
STÄDEL INVITES MICHAEL MÜLLER
Live-Event mit dem Künstler, Musik & Drinks
Am Freitag, dem 14. Oktober spricht Kuratorin Svenja Grosser mit Michael Anthony Müller über seine Ausstellung Der geschenkte Tag. Kastor & Polydeukes.
Kurzführungen laden die Besucher ein, die Sammlung Gegenwartskunst und spannende Verbindungen zu den Werken des Künstlers zu entdecken. Drinks und ein DJ-Set runden den Abend ab.
Tickets kosten 5 Euro und sind im Online-Shop unter shop.staedelmuseum.de sowie an der Abendkasse erhältlich. Einlass ab 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr
Die Veranstaltungsreihe STÄDEL INVITES findet zu Ausstellungen ausgewählter zeitgenössischer Künstler in Partnerschaft mit BMW AG statt.
MICHAEL MÜLLER
DER GESCHENKTE TAG. KASTOR & POLYDEUKES
Ausstellungsdauer: 14. Oktober 2022 bis 19. Februar 2023
Kuratorin: Svenja Grosser (Stellvertretende Leiterin Sammlung Gegenwartskunst, Städel Museum)
Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Information: www.staedelmuseum.de
Besucherservice: +49(0)69-605098-200, info@staedelmuseum.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr
Sonderöffnungszeiten: Aktuelle Informationen zu besonderen Öffnungszeiten unter
www.staedelmuseum.de
Tickets und Eintritt: Tickets online buchbar unter shop.staedelmuseum.de. Sonderpreis bis einschließlich 16. Oktober: 10 Euro. Der Sonderpreis ist ein vergünstigter Eintritt, der während der Umgestaltung des Sammlungsbereichs Kunst der Moderne gilt. Der Sonderpreis gilt für alle Besucher, inkl. Schüler, Studenten, Auszubildende, Arbeitssuchende und Besucher mit einem Grad der Behinderung von 50 Prozent oder mehr. Ab dem 18. Oktober: 16 Euro, ermäßigt 14 Euro. Freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren.
Überblicksführungen: Einstündige Führungen in der Ausstellung finden jeden dritten Samstag im Monat jeweils um 12 Uhr statt: 15. Oktober, 19. November, 17. Dezember, 21. Januar sowie 18. Februar; Tickets für die Überblicksführungen sind im Online-Shop unter shop.staedelmuseum.de erhältlich, Restkontingente je nach Verfügbarkeit an der Kasse. Aktuelle Informationen zu den Überblicksführungen sowie zu den Öffnungszeiten unter staedelmuseum.de.
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Bildnachweis: Michael Müller, Der geschenkte Tag (Detail), 2021–2022
Städel Museum
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main
Information: www.staedelmuseum.de
Besucherservice: +49(0)69-605098-200, info@staedelmuseum.de