MARJOLIJN DIJKMAN – SHIFTING AXIS
27. Oktober 2021 – 02. Januar 2022
Edith-Russ-Haus für Medienkunst
Shifting Axis, Marjolijn Dijkmans erste umfassende Einzelausstellung in Deutschland, bietet einen besonderen Einblick in das Werk der niederländischen Künstlerin. Fasziniert vom Wissenshunger und Entdeckergeist der Menschheit entwickelte Dijkman eine künstlerische Praxis, in der sich die Wege der Wissenschaft, der Kulturgeschichte und der Kunst überschneiden. Der Ausstellungstitel ist einer wegweisenden Arbeit Dijkmans aus dem Jahr 2015 entlehnt – der ortsspezifischen Installation einer Variante des Foucaultschen Pendels. Der französische Physiker verwendete dieses Instrument 1851, um erstmals überzeugend nachzuweisen, dass sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Die überraschenden Spuren, die die Bewegungen von Dijkmans Pendel erzeugen, gehen allerdings nur zum Teil auf die Erdrotation zurück; sie werden auch von einem verborgenen digitalen und mechanischen System beeinflusst, das zu unvorhersehbaren Bewegungen des Pendels führt. Die hypnotischen, sich ständig verändernden Muster, die im Sand unter dem Pendel entstehen, deuten auf einen kreiselnden Planeten hin, der aus dem Gleichgewicht geraten ist. Der Ausstellungstitel betont somit auch, dass der erneute Blick auf Dijkmans Arbeiten im Kontext der drohenden Klimakatastrophe steht, und verweist insbesondere auf das Jahr 2015. Damals wiesen die Ältesten der Inuit warnend auf ihre ungewöhnlichen Beobachtungen in der Arktis hin, und wenig später legten auch wissenschaftliche Untersuchungen nahe, dass sich die Erdachse tatsächlich verschiebt.
Alle auf Recherchen beruhenden Projekte der Künstlerin sind angetrieben von der Neugier, in welchem Verhältnis die kosmischen Kräfte zu den Wissenschaften, zur Kosmologie und zum menschlichen Körper stehen und wie wissenschaftliche Bestrebungen in der Kulturgeschichte dargestellt wurden. Dijkmans ebenso kritische wie poetische Untersuchungen nutzen wissenschaftliche Instrumente, die ihre Projekte ermöglichen; zugleich sind sie jedoch von der demütigen Einsicht angetrieben, dass die zentralen Fragen und Interessen der wissenschaftlichen Forschung nicht „neutral“ oder objektiv, sondern kulturell und ideologisch grundiert sind. Die visuellen Dimensionen, in die Dijkman die Betrachtenden einlädt, sind mit bloßem Auge zumeist nicht erkennbar. Sie entwirft ihr visuelles Universum, indem sie durch das Mikroskop und das Teleskop sieht, und reflektiert dabei immer auch die Grenzen des Körpers und das menschliche Streben, diese Grenzen zu überwinden.
Fast alle Arbeiten Dijkmans hinterfragen die Perspektive des menschlichen Blicks, indem sie versuchen, in andere Richtungen, in anderen Maßstäben und auf andere Weise zu sehen. Ein solcher Perspektivwechsel erscheint heute notwendig: Da viele unserer Konzepte für die Welt angesichts der Klimakrise gescheitert zu sein scheinen, muss die Menschheit dringend neue Visionen entwickeln, beginnend mit neuen Sichtweisen auf die Welt.
Neben ortsspezifischen skulpturalen und Video-Installationen der Künstlerin zeigt die Ausstellung Shifting Axis eine aktuelle Realisierung ihres fortlaufenden Projekts LUNÄ (seit 2011): eine Installation im Aquarium, dem von außen einsehbaren Ausstellungsraum des Edith-Russ-Hauses. LUNÄ ist eine Kopie des Tisches, den die Lunar Society – eine Gruppe britischer Industrieller, Wissenschaftler, Dichter und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts – bei ihren Versammlungen nutzte. Die Mitglieder der Society hielten, meistens bei Vollmond, inspirierende Sitzungen ab, in denen sie untersuchten, wie Wissenschaft, Technik und Kunst der Gesellschaft dienen könnten. LUNÄ greift drei Jahrhunderte später auf diesen historisch bedeutenden Moment zurück. Ein Faksimile des Tisches, um den sich die Männer der Lunar Society versammelten, schafft einen Kontext, um die Themen, die sie damals diskutierten, zu
Bildnachweis: Edith-Russ-Haus für Medienkunst
Edith-Russ-Haus für Medienkunst
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