Kunstverein Speyer
25.09. – 04.12.2022


Vernissage: 25.09.22, 11:00 Uhr
Begrüßung: Klaus Fresenius, Vorsitzender des Kunstverein Speyer e.V.
Einführung: Dr. Bernhard Serexhe
Do-So 11-18 Uhr
Eintritt frei 

Tomomi Morishima erzählt keine Geschichten, sondern reicht seinem Publikum Kompositionen aus den Elementen Architektur, Landschaft und Figur, die einer großzügigen Interpretation überlassen bleiben. Ein Wechsel von Farbflächen und Leerräumen ergeben einen sehr luftigen, surrealen Bildraum aus vibrierenden Farbsprengseln und fließenden Ebenen. An der Grenze zum Abstrakten entsteht durch einen Mix aus Konstruktion und organischem Malen ein Korridor mit erheblicher Sogwirkung. Der Betrachter wird ins Bild eingeladen, er kann Morishimas Bildwelt förmlich betreten. In der Bildmitte steht oft ein Mensch. Doch flirrende, den Bildraum dynamisierende Elemente sind zu durchqueren, um zu ihm vorzudringen. Der dargestellte Mensch wirkt inmitten der komplexen vielteiligen Kompositionen wie ein Stellvertreter für den Menschen an sich. Für eine Conditio humana. Für den Menschen in seinem Biotop sozusagen.

Eine gestaltende Rolle spielt auch der Faktor Zeit in Morishimas Arbeiten: Bei den Landschaftsbildern scheinen Elemente, die hinter einer vordergründigen Bildebene liegen, einer vergangenen Zeit anzugehören. Das Spiel mit den Dimensionen der Zeit ist ein herausstechendes Merkmal von Morishimas Malerei. Es geht hierbei nicht um lineare Ausdehnungen, also nicht um eine bloße Erinnerung, eher schon um eine Erinnerung an die Zukunft respektive eine Ahnung von Vergangenheit. Es gibt keine lineare Zeitachse auf diesen Bildern, schon eher eine surreale.

Seine Statik erhält dieser flirrende, wabernde Kosmos durch architektonische Eingriffe: Rahmenförmige Konstruktionen grenzen zentrale Bildinhalte gegen periphere ab. Häufig umrahmen diese Einfassungen eine Gestalt. Diese menschlichen Figuren sind meist in Rückenansicht zu sehen, als nähmen sie Abschied vom Betrachter, von der Bildebene, von der Gegenwart. Doch das tun sie nicht. Im Gegenteil, sie laden die Betrachter ein, ihnen zu folgen. Es geht hinein in die Tiefe des Bildes, um dort etwas zu entdecken. Doch was es dort zu entdecken gibt, bleibt beständig in der Schwebe. Bleibt ein Rätsel der reizvollsten Art, welches weder die Zuschauer noch der Künstler selbst restlos ergründen können. Morishimas großformatige Bilder sind nicht nur im besten Sinne offen, sie sind ergebnisoffen.

So ergebnisoffen wie der Arbeitsprozess des Malers: Er beginnt mit ein paar Tropfen flüssiger Farbe auf leerer Leinwand. Abstrakte Formen entstehen dadurch, die jedoch schon viele Hinweise und Assoziationen bieten. Indem er auf diese Signale reagiert, nimmt im weiteren Verlauf das Bild konkrete Gestalt an. Nur durch dieses behutsame Verfahren einer vorsichtigen Näherung kommt der Maler zu einem Bildraum, der eine permanente Schleuse, ein Ort des immerwährenden Übergangs ist. Ausgangspunkt und Ziel sind hier unerheblich, was zählt, ist die Transition. Ja, Morishima erzählt keine Geschichten, er evoziert sie nur. Denn es sind die Betrachter, die beim Anblick seiner Malerei anfangen Geschichten zu erzählen.

Tomomi Morishima wurde 1984 in Paris geboren. Während Kindheit und Jugend lebte er in Hiroshima. Sein 2002 in Tokio begonnenes Kunststudium setzte er ab 2006 in Karlsruhe bei Prof. Helmut Dorner fort. 2012 erhielt er den Meisterschülerpreis des Freundeskreises der Kunstakademie Karlsruhe. Heute lebt und arbeitet er in Karlsruhe.

Hansjörg Fröhlich

Bildnachweis: © bei Tomomi Morishima.


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