TALYA LUBINSKY – MELTING STONE
15. Juli – 18. September 2022
KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Talya Lubinskys Ausstellung Melting Stone ist ein künstlerischer Dialog mit der KZ- Gedenkstätte Flossenbürg. Die ortsspezifische Installation er- forscht Geschichtserzählungen im Zwischenbereich von Materialität und Ab- straktion. Die Ausstellung der südafrikanischen Künstlerin ist in einem still- gelegten Gebäude untergebracht, das einst die Büros der Deutschen Erd- und Steinwerke beherbergte, eines SS-eigenen Betriebs, die den angrenzen- den Granitsteinbruch bewirtschaftet. Sie nimmt die geologisch-historische Bedeutung von Granit und Glas zum Ausgangspunkt, um Gedenkkulturen zu befragen.
Granit wurde und wird in Flossenbürg abgebaut. Einst als Lava 30 km unter der Erde fließend, wurde der Flossenbürger Granit durch Kontinentalver- schiebungen an die Oberfläche gedrückt. Im Laufe der Jahrmillionen erodierten Erdschichten, die Lava kühlte ab und kristallisierte zu dem, was heute als verfestigte Materie in Form von Granit zu sehen ist. Talya Lubinsky, die im Iwalewahaus bereits ihre Ausstellung Floating Bodies präsentierte, experimentiert in ihrer Skulpturen-Serie „Melting Stone“ mit der Erhitzung der Steine bis hin zu dem Punkt, an dem sie zu schmelzen beginnen. Der Lebenszyklus des Steins wird so sichtbar. Das feste Material Stein, üblicherweise mit Trauer, Gedenken und Monumentalisierung verbunden, wird in eine flüssige Substanz verwandelt, die sich auf poetische Weise
mit der latente Kraft zu einer flüssigen Substanz, die sich metaphorisch (wieder) mit dem Magma im Erdinnern verbindet. Auf diese Weise findet Talya Lubinsky neue Formen für die Formation von Erinnerungen reflektiert und kritisiert die ‚verknöcherte Materie’ hegemonialer Erinnerungskulturen.
„Sanding Glass“, eine großflächige Arbeit auf und mit Glas, ist vor einem 14 m langen und 2,5 m hohen Wandbild an den Wänden des ehemaligen „Ge- folgschaftssaals“ des Deutschen Erd- und Steinwerke installiert. Der nation- alsozialistische Ideologie der Zeit folgend sind hier kräftige Steinmetze und Bauarbeiter dargestellt, die im faschistisch-realistischen Stil gemalt sind. In den Jahrzehnten nach der Befreiung des Lagers wurden die Gesichter der Figuren absichtlich entfernt, darüber hinaus ist die Farbe aufgesprungen und abgeblättert. Talya Lubinsky bearbeitet jene Teile des Gemäldes, die nicht abgerieben, abgeplatzt oder verwittert sind auf Glas, um sie undurchsichtig zu machen. Steht man direkt vor der Installation, sind durch das klare Glas nur noch die Teile der Wand zu sehen, die bereits durch die Zeit oder durch menschliche Eingriffe verunreinigt worden sind. So entsteht durch das Kratzen an der Oberfläche visueller Konventionen eine neue Zeichnung, die den Blick auf die Inhalte einer Geschichte lenkt, die durch ihre Abwesenheit erzählt wird.
Prof. Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, sagt über Talya Lubinskys Arbeit: „Mit dieser Ausstellung öffnen wir das DESt-Verwal- tungsgebäude erneut als Raum für Kunst und Gedanken. Talya Lubinsky hat für diesen Ort zwei Kunstinstallationen geschaffen. Zum einen setzt sie sich aktiv mit der An- und Abwesenheit von Täterspuren im Gebäude auseinander. Zum anderen symbolisiert sie mit Skulpturen aus geschmolzenem Granit den Wandel und die Vergänglichkeit der Erinnerung. Damit verweist sie auf die Fragilität scheinbar fester Erinnerungsmuster und betont die Notwendigkeit, diese immer wieder zu hinterfragen und neu zu denken. Gerade deshalb passt die Kunst von Talya Lubinsky hervorragend zu diesem Ort des ehemali- gen KZ-Steinbruchs, der sich weiterhin als Experimentierraum für Erin- nerungskultur definieren wird.“
Dr. Katharina Fink, Leiterin der künstlerischen Programme im Iwalewahaus, betont: „Es ist eine bereichernde Erfahrung, mit den Kollegi:nnen der KZ- Gedenkstätte Flossenbürg neue Schnittpunkte in der Erinnerungsarbeit zu
erarbeiten. Talya Lubinsky, mit der wir schon oft zusammengearbeitet haben, ermöglicht es uns mit ihren Arbeiten, eine neue poetische Sprache dafür zu finden, Geschichte zu gegenwärtig zu machen.“
Dieses Projekt ist die erste Artist in Residence- und Ausstellungskooperation zwischen der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und dem Iwalewahaus der Uni- versität Bayreuth, einem Raum für die Produktion und Diskussion von Kunst aus Afrika und darüber hinaus.
Die Ausstellung wird von einem öffentlichen Programm begleitet und in 2023 in eine Publikation münden.
Bildnachweis: Ausstellungsflyer des Iwalewahaus
Iwalewahaus
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D-95444 Bayreuth
Katharina Fink
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KZ-Gedenkstätte Flossenbürg:
Julius Scharnetzky
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