19. April bis 9. Juni 2024
Kasseler Kunstverein


Pressegespräch: 18. April um 15 Uhr
Eröffnung: 19. April 19 Uhr

Fürsorge und Ökologie
 Die Künstler*innen, Aktivist*innen und Forscher*innen beschäftigen sich mit der Verbindung zwischen kolonialen Strukturen und der Klimakrise. Sie untersuchen, wie die Ausbeutung von Arbeitskräften und Rohstoffen, die Produktion von Nahrungsmitteln und die Ansammlung von Kapital miteinander verbunden sind.
 
Angela Anderson
reflektiert in ihrer Video-Installation Three (or more) Ecologies: A Feminist Articulation of Eco-intersectionality – Part I: For the World to Live, Patriarchy Must Die, wie die Beziehung zu Land, Wasser und weiteren ‚Ressourcen‘ mit der Produktion von Gütern und Beziehungen zusammenhängt.
Sie kontrastiert die zerstörerische Fracking-Industrie in North Dakota mit Stimmen aus Jinwar, einem kollektiven landwirtschaftlichen Dorfprojekt von Frauen in der autonomen Region Rojava (Nordsyrien). So stellt sie die ungezügelte Akkumulation des Kapitalismus in Frage, die auf Wettbewerb, Ungleichheit und Ausbeutung basiert und die Grundlage patriarchaler Gesellschaften bildet, und kommt zu einer eindeutigen Schlussfolgerung: Wenn die Welt leben soll, muss das Patriarchat sterben.
 
Luïza Luz
engagiert sich für die Verbreitung von emanzipatorischem Wissen und setzt sich kritisch mit Systemen auseinander, die auf Zerstörung basieren, während sie alternative Ökosysteme für tiefes Zuhören und die Heilung des Planeten vorschlägt.
Die Installation Flourish and Collapse (2023), die Luisa Luz zeigt, besteht aus Keramiken und Malereien. Mit der Installation geht die Künstlerin der Frage nach, wie wir Erfahrungen von Verlust und Verfall als grundlegende Aspekte unserer Existenz integrieren können. Blüte und Verfall sind komplementäre Kräfte, die sich in der Kreisbewegung des Lebens abwechseln. Die Zersetzung der organischen Materie bringt neue Formen hervor, die, wenn sie genährt werden, zu blühen beginnen. Der Tod hebt das Leben nicht auf. Ausrottung und Vernichtung hingegen schon, denn sie stellen einen gewaltsamen Angriff auf die Lebensgrundlage aller dar, die im planetarischen Ökosystem miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Wie können wir unsere Praktiken, unsere Handlungen und unsere Geschichten so nähren, dass wir den Mut haben, von dieser Verneinung des Lebens zurückzutreten und uns radikal für das Leben einzusetzen?
 
Nomaswazi Mthombeni & Violet Nderaisho
 sind in Kassel lebende Aktivistinnen und Forscherinnen. Sie haben eigens für die Ausstellung eine Soundinstallation produziert, die verschiedene Stimmen Schwarzer Menschen aus Kassel miteinander verwebt. Sie erzählen von der alltäglichen Erfahrung, überhört und übersehen zu werden, davon, wie es sich anfühlt, zu reden, ohne gehört zu werden. Sie sprechen von der Fürsorge zwischen einander, von Momenten der Anerkennung, davon, was es bedeutet, sich wirklich verstanden zu fühlen. Die Soundcollage wird mit mehreren schwarzen Screens installiert, die symbolisch für die schwarzen Quadrate stehen, die im Sommer 2020 als Reaktion auf die Ermordung George Floyds durch einen Polizisten auf Instagram viral gingen. Sie stehen einerseits für weltweite Proteste und Solidarität mit Menschen, die von Polizeigewalt betroffen sind. Gleichzeitig symbolisieren die schwarzen Screens eine Kritik an performativer Solidarität, die nicht über das Teilen eines schwarzen Quadrats auf Instagram hinausgeht und somit die anhaltende systemische Gewalt gegen Schwarze und People of Color duldet.
 
Åsa Sonjasdotter
 beschäftigt sich mit Kartoffelsorten, die für den kommerziellen Anbau in der EU eingeschränkt sind. Die meisten dieser alten und neuen Sorten werden von Landwirt*innen für die kleinbäuerliche Nutzung gezüchtet. Sie sind genetisch zu vielfältig, um die EU-Vorschriften über Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit (die  sogenannten DUS-Kriterien) zu erfüllen. Somit kommen sie nicht für die kommerzielle Nutzung in Frage und sind daher Stück für Stück verdrängt worden. Mit der Installation The Order of Potatos kreiert Sonjasdotter einen Raum der agrikulturellen Erinnerung. Es werden 10 verdrängte Kartoffelsorten gezeigt, die eine chronologische Erzählung – von 1587 bis heute – bilden. Zusätzlich werden Papiertüten ausgestellt, die mit bedruckten Info-Postkarten über die kulturelle, historische und wirtschaftliche Bedeutung der Züchtung dieser Sorte ausgelegt sind. Die Besucher*innen sind eingeladen diese Tüten mit Kartoffeln im Rahmen von Veranstaltungen und Führungen mitzunehmen. Somit bleibt das neue Wissen kein rein diskursives Wissen, das ausschließlich im Ausstellungsraum verhandelt wird, sondern ist greifbar und kann geteilt werden.

Bildnachweis: Ausstellungsplakat von Caring in Times of Continuous Crisis (Part II). Kasseler Kunstverein. 2024.


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