ESKE SCHLÜTERS UND TILLMANN TERBUYKEN „UNTITLED HISTORY“
14. September – 13. Oktober 2024
Alter Elbpark Hamburg
Eröffnung: 14.9.2024, 15 Uhr
Am Samstag, den 14.9.24 eröffnet im Alten Elbpark Hamburg Untitled History, ein temporäres Projekt für den öffentlichen Raum von Eske Schlüters und Tillmann Terbuyken, das in die Anfänge der europäischen Demokratiebewegungen blickt.
Wir leben in Zeiten tiefgreifender gesellschaftlicher Verunsicherungen. Die Unbekümmertheit, mit der westliche Demokratien lange Zeit die ökologischen und sozialen Folgen der eigenen Lebensweise ignorierten, können nicht weiter verdrängt und auf eine ferne Zukunft geschoben werden. Die negativen Folgen auf das Klima und die Auswirkungen auf den globalen Süden sind gewaltig und beschleunigen sich in rasantem Tempo. Im Zuge geopolitischer Konflikte in Form von Kriegen und Wirtschaftsrezession sowie innenpolitischer Spannungen, wie dem Erstarken des Rechtspopulismus und dem Rückgang der Wahlbeteiligung, wird immer häufiger von der Erosion westlicher Demokratien gesprochen. Krisen bieten die Chance auf einen grundlegenden Wandel. Sind sie zum Dauerzustand geworden, ist eine Reflexion des Vergangenen erforderlich, um den Blick auf das Gegenwärtige zu schärfen.
Mit Untitled History schaffen Eske Schlüters und Tillmann Terbuyken im Alten Elbpark eine temporäre Installation, die in die Anfänge der europäischen Demokratiebewegungen im 19. Jahrhundert blickt. Die Installation befindet sich nahe des monumentalen Bismarck-Denkmals, das auf Grund des öffentlichen Deutungsstreits über die Rolle des ehemaligen Reichskanzlers in der deutschen Kolonialgeschichte umstritten ist. Durch den Aushub von Erde und die Positionierung von Steinen entsteht eine künstliche Ruine, die öffentlich zugänglich ist. Die Anwendung einer Augmented Reality-App, welche durch QR-Code auf dem Smartphone oder Tablet abrufbar ist, erlaubt die dreidimensionale Überblendung des Realraums mit einer szenografischen Erweiterung. Den virtuellen Bildwelten ist eine Tonspur unterlegt, die zeitgeschichtliche Reflexionen anbietet. Ebenso wie bei einer archäologischen Ausgrabung, bei der durch die schichtweise Abtragung des Bodens Spuren freigelegt werden, handelt es sich bei den simulierten Funden um historische Fragmente.
Die sprachlichen und visuellen Fragmente reflektieren soziale und demokratische Bestrebungen im 19. Jahrhundert in Deutschland und ihre politischen Auswirkungen. Mit der Aufklärung und im Hinblick auf die Revolution im französischen Nachbarland verloren die traditionellen politischen Ordnungen zunehmend an Legitimität. An die Stelle von Autoritätsgläubigkeit sollte Vernunft treten. Untitled History beleuchtet Facetten der sozialen Kämpfe, die das kollektive Bewusstsein prägten und künftige Emanzipationsbestrebungen, wie die Arbeiter:innen- und Frauenbewegung, förderten.
Eske Schlüters und Tillmann Terbuyken bieten mit ihrem Projekt einen Ort für die Auseinandersetzung mit Demokratiegeschichte an. Es geht dabei nicht um Vollständigkeit, geschichtliche Stringenz oder einen Wahrheitsanspruch, sondern um die Erfahrbarmachung von Diskontinuitäten und Gleichzeitigkeiten. Untitled History möchte daran erinnern, dass Demokratie keinen Zustand beschreibt, sondern mühsam erkämpft wurde und stetig in Bewegung ist. In dem Zusammenspiel von Text und Bild, Realraum und virtuellem Raum, Vergangenheit und Gegenwart werden die Grenzen von Raum und Zeit in Bewegung gesetzt. Denn die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, zwischen flüchtigen Fragmenten der Wirklichkeit, auch in Luftschlössern und Sandburgen, in Rudimenten einer brüchigen Demokratiegeschichte.
Das Projekt wird durch eine Kooperation mit Schüler:innen der Stadtteilschule am Hafen begleitet. Eske Schlüters und Tillmann Terbuyken sind am 15.9., 21.9. und 13.10. um 15 Uhr sowie nach Vereinbarung anwesend.
Untitled History ist nach Unabsehbare Fahrten ins Innere der Zeit (Warburg-Haus, Hamburg, 2023) die zweite künstlerische Kooperation von Eske Schlüters und Tillmann Terbuyken.
Eske Schlüters studierte bei Eran Schaerf, Gisela Bullacher und Willem Ooerebeek an der HfbK Hamburg. 2021 erschien ihre Dissertation Alles kann ein Bild von allem sein. Ihre (Video-)Installationen wurden u.a. in Gruppenausstellungen der Bundeskunsthalle Bonn (2013), Museum für Gegenwartskunst Siegen und Frankfurter Kunstverein (2013) und in Einzelausstellungen in der Kunsthalle Lingen (mit Katrin Mayer, 2016), Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf (2008) und Museum für Gegenwartskunst Siegen (2006) gezeigt.
Tillmann Terbuyken studierte bildende Kunst an der HfbK Hamburg und der Akademie beeldende Kunsten in Maastricht. Seine Arbeiten wurden u.a. ausgestellt in Einzelausstellungen bei KM, Berlin (seit 2012), dem Kunstverein Springhornhof (2016), der Galerie im Marstall Ahrenburg (2021) und Gruppenausstellungen in der Sammlung Falckenberg (2010), KUB Bregenz (2011), Arti Et Amicitae Amsterdam (2016) und der Kunsthalle Lingen (2023). Terbuyken ist Gründungsmitglied von Friends and Lovers in Underground.
Mitwirkende:
Mirco Hülsemann: Programmierung AR & Website
Flo Gaertner / magma design studio: Grafik
Marie Biermann: Erzählerin
Roman Vehlken: Tonmischung Dolby Atmos
Jan Amelung: Granitstücke und Ausführung Ruine
Urs Amadeus Ulbrich: Ausführung Ballustrade
Marie Kuhn: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Kunstkurse der Stadtteilschule am Hafen der Klassen 9 a/b und 10 a/b (2023/24) unter der Leitung von Edda Simon
Merlin Reichart: Schildständer
Muldenthaler Emaillierwerk: Schild
Untitled History entsteht mit freundlicher Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Bezirksamt Hamburg-Mitte, Urs Amadeus Ulbrich sowie der Liebelt-Stiftung, Hamburg.
Bildnachweis: Eske Schlüters und Tillmann Terbuyken, AR Still, Karte und Zeichnung
Alter Elbpark Hamburg
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