JENS RAUSCH _MILES
mianki.Gallery
02.09.2022 bis 05.11.2022
Es ist, was es ist: Erden, zermahlener Ziegelstein, Kalk, Asche und Ruß… „_MILES“ ist eine Beschreibung der Strukturen und Oberflächen unserer Welt und erinnert an einen Blick aus dem Flugzeug oder an Satellitenbilder – realistisch, abstrakt, topografisch. Erstaunlich dabei ist, dass Aufnahmen aus dem Orbit meist zwei Assoziationen wecken, zum einen die Schönheit, die vermeintliche Unversehrtheit und die unendliche Weite auf unserem blauen Planeten, zum anderen das Aufzeigen des menschlichen Einflusses und den damit einhergehenden katastrophalen Folgen für die Erde: verkalkte, ausgelaugte und erodierende Böden, Versalzungen, Hitzefelder, Verkarstungen, Erosionen, Rodungen und Verwüstungen.
Diese zwei Blickwinkel, die gegensätzlicher nicht sein können, interessieren Jens Rausch. Mit diesen setzt er sich in seinen Werken malerisch, prozesshaft und materiell auseinander. Er erschafft innerhalb dieses Sujets Werke voller Experimentierfreude direkt mit dem Material, schürft, schichtet (auf), erodiert, oxidiert, verströmt oder verwirbelt. Und wie er selbst sagt, „zur Entspannung“ neben seinen anderen Werkserien.
Beim Schaffensprozess orientiert sich Jens Rausch bei jedem Werk an einer ureigenen Bildidee. Diese kombiniert er mit den Werktiteln, welche am ehesten den jeweiligen Prozess beschreiben und für ihn wie eine Art Arbeitsanleitung seines handwerklichen Tuns zu verstehen sind: Senken, Erdgeschichte, Verwirbelungen, Strömungen. Die Titel eint auch eine Mehrdeutigkeit, wie sich beispielsweise im Werk „Strom“, einem Flusslauf in einer Art nächtlicher Aufsicht, zeigt. Durch das schimmernde Blattgold, das auch an eine Leiterplatte erinnern kann, entsteht eine Lichtsituation, die materiell wie metaphysisch für den Energiefluss unserer Zeit steht und gleichzeitig vom Künstler dem natürlichen Flussverlauf gegenübergestellt wird.
Dabei bleibt es in Jens Rauschs neuen Bildwelten oft vage, ob es sich beispielsweise bei den Wolkenformationen um industrielle Emissionen, Brände oder natürliche Nebelschwaden handelt. Ob die Strukturen eines künstlichen, menschengemachten Ursprungs sind oder eines natürlichen Ursprungs entstammen. Als Maler überführt er die Abstraktion in die Realität. Der mitunter dunstig aufgetragene Wolkenschleier verweist darauf, dass hier die Abstraktion nicht bloß durch Zufall, aus Material und strukturellen Eigenschaften generiert wurde, sondern dass es sich hier um eine konkrete Bildinformation handelt.
Dies bildet auch die Grundlage im malerischen Prozess von Jens Rausch: Er löst viele der Prozesse künstlich-künstlerisch aus, generiert immer wieder den Zufall, reagiert fortlaufend malerisch darauf, schärft dabei das Prozesshafte und formt einzelne Partien teils akribisch aus. Diese Prozesse haben ihren Ursprung in einer Art Urmasse, die der Künstler teils modellierend auf die Leinwand bringt, malt, verklebt, montiert und anschließend wortwörtlich modellierend durchkämmt, laugt, ätzt, abschichtet oder eben abwäscht, den natürlichen Auswaschungen und Erosionen gleich. Dabei bricht er die Leinwand bzw. strukturierten Material-Massen immer wieder neu auf und erschafft damit Erosionen, „Erdrisse“ und Abschürfungen, der wahrhaften Erdgeschichte gleich. Jens Rausch (re-)interpretiert bzw. transformiert somit materialbedingt seine Werke immer wieder neu und führt uns darin das künstliche und menschengemachte vor Augen. Er lässt so alles wortwörtlich begreifbar werden, denn diese Schürfungen, Grate und Höhungen lassen sich wunderbar strukturell und äußerst haptisch erfassen.
In seiner neuen Werkserie „_MILES“ deutet Jens Rausch auf Szenerien unserer Welt hin. Was von weit weg und im Kleinen so friedlich und ästhetisch wirkt, zeigt in Wahrheit mitunter desaströse Umweltentwicklungen und Spuren des Menschen: Rodungen, Schürfungen, Zersiedelung, Verödung, den Entzug natürlicher Ressourcen. Aber auch Begrenzungen und Grenzziehungen, soziale wie politische, fließen in die Arbeiten ein. Jens Rausch erschafft mit seinen zunächst abstrakt wirkenden Landschaftsgebilden eine äußerst realistische Malerei, zu einer beständigen Veränderung, Fragilität und Brüchigkeit unserer Erd-Oberfläche: prozesshaft, experimentell und materiell.
Jens Rausch
In seinen Arbeiten setzt sich Jens Rausch mit natürlichen Kreisläufen und Zyklen auseinander: Im malerisch-künstlichen Prozess kommen dabei Materialitäten wie Asche, Bitumen, Eisenoxid, Feuer und Ruß zum Einsatz. Also jene Materialien, die ihrerseits bereits aus Transformationsprozessen stammen bzw. diese auslösen.
Der Moment des Zufalls spielt dabei eine wichtige Rolle: ausgelöste und teils noch weiterarbeitende Prozessabläufe, die sich nur bedingt steuern und kontrollieren lassen, nutzt Jens Rausch für seinen künstlerischen Prozess derart, dass er hier in einen materiellen-künstlerischen Dialog tritt.
Natürliche Prozesse, spezifische Materialeigenschaften und eben jener generierte Zufall, auf den er sich wiederum bezieht, verbinden sich in seinen Werken zu einer komplexen Einheit, die dabei mit dem jeweiligen Bildmotiv korreliert.
Bildnachweis: Jens Rausch, Grenzgebiet, 2022, Öl, Kalk, Gips, Erden und Bitumen auf Leinwand, 90 x 100 cm, © Foto: Jens Rausch
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