9. November 2024 – 26. Januar 2025
Museum Moderner Kunst Wörlen


    Mit dieser Ausstellung heben das MMK Passau und die leihgebende Agentur Atelier & Friends aus Grafenau einen bislang verborgenen Schatz von überregionaler Bedeutung: Gezeigt werden Aufnahmen von Filmstars der 1950er und 1960er Jahre aus dem Nachlass des heute zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Set-Fotografen Herbert Fried (Berlin 1926 – 1981 Rom).

    Herb Fried, wie er sich nach Kriegsende in seiner Wahlheimat Amerika nennt, hält sich immer wieder lange in Rom auf, dem damaligen Zentrum der Filmindustrie. Dort fotografiert er im Auftrag internationaler Agenturen Filmstars wie Romy Schneider, Alain Delon, Elke Sommer, Brigitte Bardot, Gina Lollobrigida, Audrey Hepburn, Yul Brynner, Terence Hill u. a. sowohl am Set der Cinecittà als auch in privater Umgebung. Dabei wirkt die Stimmung oft so gelöst und vertraut, dass von einer Freundschaft zwischen Fotograf und Modell(en) auszugehen ist. So zeigen die Fotos, die Herb Fried von Alain Delon und Romy Schneider bei einem privaten Restaurantbesuch in Rom schießt, einen dritten gefüllten Teller auf dem Tisch – das Fotoshooting mündet also in ein gemeinsames Abendessen.

    „Das spannende und umfangreiche fotografische Werk von Herbert Fried zeigt die Stars aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Mal im Stil von Portraits mit großer Ausdruckskraft, mal am Set mitten in Drehaufnahmen, und dann wieder ganz entspannt oder auch ausgelassen im privaten Umfeld“, bringt Dr. Marion Bornscheuer, Direktorin des MMK Passau, die Faszination dieser Bilder auf den Punkt.

    Die Passauer Ausstellung rekonstruiert erstmals Herbert Frieds bewegte Biografie mit Archivmaterial und bereitet den fotografischen Nachlass museal auf. In den Bayerischen Wald kamen die Fotos über Umwege: Einen Teil seines Werkes vermachte Fried seinem Freund Klaus Hoins aus Hannover, der es an Margarethe Eder als Liebhaberin der Fotografie weitergab, welche die Kartons voller unsortierter Fotos, Schwarzweiß-Abzüge, Negative und Dias ihrerseits schließlich vor 15 Jahren der Agentur Atelier & Friends überließ.

    Gemeinsam staunte man und archivierte das Material in Ordnern sowie digital in einer Datenbank. Ohne größere Ambitionen wurde zunächst ein Teil davon in einer Website veröffentlicht. Vor ein paar Jahren wurde der BRAVO-Verlag auf die Sammlung aufmerksam. Er war im Besitz von weiteren tausenden Bildern Herbert Frieds, die er großzügigerweise Atelier und Friends kostenlos überließ.

    Markus Sieghart, Projektleiter und Designer von Atelier und Friends, schwärmt: „Als leidenschaftliche Designer liegt Kunst und Ästhetik in unseren Genen. Wir sahen sofort das Außergewöhnliche an diesen Fotos. Durch unsere Zusammenarbeit mit dem Museum Moderner Kunst Wörlen entstand die Idee, diesen Fotoschatz in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.

    Sehr engagiert hat sich außerdem Lutz Peter aus Hannover, der eines der wenigen verbliebenen Exemplare der Autobiografie Herbert Frieds sowie ein originales Fotoequipment als Leihgabe für die Ausstellung zur Verfügung stellt.

    Biografie Herbert Fried
    1926 Geburt am 21.06. in Berlin-Wilmersdorf; Vater Karl Fried stammt aus Österreich, die jüdische Mutter Betka (Betty) Vogelbaum aus Berlin.
    1932 Karl und Betka kaufen vier Kinos in Berlin, Herbert wird Cineast.
    1933-39 Nach der Machtergreifung der Nazis Umzug von Betka und Herbert nach Wien; Karl verliert als schlechter Ökonom alle Kinos in Berlin.
    1934 Karl lässt sich als überzeugter Nazi von Betka scheiden.
    1938 Herbert wird in Wien katholisch getauft, gilt aber nach den Nürnberger Gesetzen (1935) als Halbjude. Als Oberleutnant der Wehrmacht (später als Hauptmann) muss Karl Herbert immer wieder vor dem KZ schützen.
    1939 Kriegsausbruch, Betka flieht nach Brüssel und Herbert zieht zu seinem Vater nach Berlin.
    1940 Im Zuge der von Hitler angeordneten „Kinder-Landverschickung“ kommt Herbert nach Tauchen-Schaueregg in der Steiermark, wo er als „Halbjude“ schikaniert wird, bis Karl uniformiert anreist und ihn abholt. Karl ist jetzt mit der Arierin Gertrud liiert und bekommt mit ihr den Sohn Helmut.
    1943 Lehre als Reprofotograf bei „Rota-Druck“ in Berlin, Einberufung zur Zwangsarbeit, erfolgreicher Antrag der Druckerei auf Herberts Freistellung als „unentbehrlich“ für den Propaganda-Einsatz.
    1945 Kurz vor Ende der Ausbildungszeit Verlust der Lehrstelle durch die Luftangriffe auf Berlin, bei denen Rota-Druck ausgebombt wird. Um zu überleben, entwickelt Herbert Filmrollen für die russischen Besatzer.
    1946 Auswanderung Betkas, die seit 2 Jahren den Davidstern tragen muss, nach New York. Dort arbeitet sie in einer Fabrik als Näherin. Sie schreibt Herbert, dass sie ihm ein Immigrations-Visum verschaffen will, damit er in New York wieder als Fotograf arbeiten kann. In Berlin dokumentieren die Alliierten die Reste des Dritten Reiches und benötigen Kameras. Herbert wird zum Händler. Die Amerikaner nennen ihn „Herb“ oder „Herbie“. US-Streitkräfte in Wannsee stellen ihn als Entwickler im Fotolabor an. Herb geht wieder ins Kino, wo unter der amerikanischen Besatzung Hollywood-Filme laufen. Partnerschaft mit Karin (Nachname unbekannt); als sie ungewollt schwanger wird, entscheidet sich das Paar zur Abtreibung.
    1947 Herb träumt weiterhin von Amerika. Die Zeit drängt: Das Immigrationsvisum gilt nur für Minderjährige, die ihren Eltern folgen, und Herb wird in wenigen Monaten volljährig. Der Offizier in der Botschaft findet in Herbs Dokumenten ein Foto von Karl in Wehrmachtsuniform und bremst das Ausreise-Verfahren. Herb erhält das Visum erst über Beziehungen von seiner Halbschwester Fini in New York.
    1948 Verabschiedung von Karin, Ausschiffung in Bremerhaven. In New York sieht Herb nach 9 Jahren seine Mutter wieder.
    1954 Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft.
    1955 Wohnsitz in Rom, Arbeit für die Zeitschrift REVUE mit Sitz in München (Kindler und Schirmeyer Verlag).
    1957 Wohnsitz in Berlin, Arbeit für internationale Auftraggeber: das Feuilleton der Ullstein Aktiengesellschaft Berlin-Tempelhof, die US-Bildagentur Black Star, die Illustrierte Berliner Zeitschrift und die italienische Zeitung La Stampa.
    1970er Arbeit für die Zeitschrift BRAVO und für die Agenzia Giornalistica Laboratorio Fotografico in Rom. Die „AGF“ produziert auch Fotoshootings und Videos für Verleger, Firmen und internationale Festivals.
    1979 Am 15.12. Hochzeit mit der 1944 geborenen Londonerin Christine Margaret Slatford in Rom.
    1981 Am 8. Februar Tod in Rom durch Krebs. Der Erbschein ist auf Christine als Alleinerbin ausgestellt und vermerkt als Herbs Wohnsitz „Malibu“ (Kalifornien). Beerdigung in Rom auf dem „Protestantischen Friedhof für Ausländer“.

    Bildnachweis: Elke Sommer © Fotografie von Herbert Fried, Sammlung Atelier & Friends, Margarethe Eder


    Museum Moderner Kunst Wörlen
    Bräugasse 17
    94032 Passau
    www.mmk-passau.de

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