26. März – 26. Juni 2022

Sprengel Museum Hannover


Marcel Duchamps Ideen, Konzepte und Werke fallen in der schwedischen Kunstszene der 1950er- und 1960er-Jahre auf fruchtbaren Boden. An den Konzeptkünstler und früheren Wegbereiter von Dadaismus wie Surrealismus knüpfen Carl Fredrik Reuterswärd und Öyvind Fahlström an. Die Geschichte der drei Künstler erzählt die große Sonderschau, die in Zusammenarbeit mit der Carl Fredrik Reuterswärd Art Foundation entsteht.

Mit der Ausstellung wird die großzügige Schenkung von Reuterswärd an das Sprengel Museum Hannover neu bewertet. Als Dauerleihgaben der Carl Fredrik Reuterswärd Art Foundation verfügt das Haus über Werke von Marcel Duchamp und Öyvind Fahlström. GEGEBEN SIND präsentiert eine Werkauswahl aus der eigenen Sammlung mit bedeutenden internationalen Leihgaben aus Institutionen, Galerien und Privatbesitz.

Die Ausstellung ist als Versuchsanordnung angelegt, die die Verbindungslinien zwischen Installationen, Skulpturen und Gemälden, Büchern, Gedichten und Dokumentationen sichtbar macht.

OBERE SAMMLUNG

Die Ausstellung „GEGEBEN SIND Reuterswärd, Fahlström, Duchamp“ bringt Werke der Künstler Carl Fredrik Reuterswärd, Öyvind Fahlström und Marcel Duchamp zusammen: Der selbstreflexive und spielerische Umgang der drei Künstler mit dem Kunstwerk und seiner Bedeutung, ihre methodischen Widersprüchlichkeiten und die radikale Offenheit ihres Werkbegriffs werden zum Impuls einer Versuchsanordnung, die Verbindungslinien zeichnet, Schnittmengen zu Tage fördert und übergreifende Konzepte, Spiel und Witz herausarbeitet. Das Sprengel Museum Hannover zeigt aus seiner Sammlung, mit einer Auswahl von Dauerleihgaben der Carl Fredrik Reuterswärd Art Foundation und mit bedeutenden internationalen Leihgaben aus Institutionen, Galerien und Privatbesitz eine umfangreiche Schau, die Reuterswärd, Fahlström und Duchamp erstmalig in dieser Form gemeinsam präsentiert.

DIE BASIS

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Neubetrachtung der Schenkung von Carl Fredrik Reuterswärd an das Sprengel Museum Hannover im Jahr 2013. Mit der Schenkung des Künstlers gelangten darüber hinaus Werke befreundeter Künstler*innen als Dauerleihgabe der Carl Fredrik Reuterswärd Art Foundation in die Sammlung des Sprengel Museum Hannover. Aus der Vielzahl der Zusammenhänge treten Fahlström und Duchamp exemplarisch in den Vordergrund und in Beziehung mit dem vielfältigen Œuvre Reuterswärds, dessen Werk voller Ironie, Sprachwitz und Anspielungen ist; etwa wenn er die Signatur Rembrandt van Rijns umdichtet in „Remembrandt f.“ oder den Bau des Kölner Doms mit dem Roulette-Spiel-Ausspruch „Rien ne va plus“ (1980) kommentiert.

GEGEBEN SIND

Die Geschichte der drei Künstler erzählt „GEGEBEN SIND Reuterswärd, Fahlström, Duchamp“. Die Ausstellung ist als Versuchsanordnung konzipiert, die die Verbindungslinien, die zwischen den Künstlern verlaufen, durch ihre Werke sichtbar macht. Installationen, Videos, Skulpturen und Gemälde sind ebenso Teil der über 160 Arbeiten umfassenden Schau wie Bücher, Gedichte und Dokumente. Den Auftakt machen Duchamps „Das Große Glas“ (1915–1923), Fahlströms variables Gemälde „Sitting…Six Months Later“ (1962) und Reuterswärds Plastik „Shall We Dance“ (1963). Raum Zwei vertieft die Verbindungen anhand historischer Dokumentationen – dazu gehören die legendäre Ausstellung „Rörelse i konsten“ im Moderna Museet Stockholm im Jahr 1961 und der gemeinsame Auftritt Fahlströms und Reuterswärds als stereotype Kunstexperten bei einer Ausstellungseröffnung ein Jahr zuvor.

Die Ausstellungsräume „Variation“, „Niemand“, „Business“, „Spiele“ und „Weltpolitik“ vertiefen die gemeinsamen Themen. Marcel Duchamps Beharren auf seiner These, Bedeutung sei eine Frage der Perspektive und Wahrnehmung, entwickeln Reuterswärd und Fahlström auf ihre je eigene Weise weiter. Die teils detailreichen und komplexen, teils plakativen Werke ironisieren Bekanntes, verändern Gewohntes und befragen Konventionen. Regeln, Strukturen und Systeme erscheinen im Spiel des Künstlerischen wandelbar. Indem die Kunstwerke die Erwartungshaltung formulieren, gelesen und dekodiert zu werden, ermächtigen sie den Besuchenden, Teil des Spiels zu werden.

HINTERGRUND

Für Reuterswärd und Fahlström spielt Marcel Duchamp eine zentrale Rolle im eigenen künstlerischen Werden und Schaffen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts definiert Duchamp das Kunstwerk als „readymade“ neu – als Objekt, das allein durch die Geste des Künstlers zum Kunstwerk wird. Dieses Konzept verändert die Kunstgeschichte. Duchamps Hauptwerk, das über drei Meter hohe Glasgemälde „La Mariée mise à nu par ses Célibataires, même“ (1915–1923) auch „Das Große Glas“ genannt, spielt darüber hinaus eine entscheidende Rolle für die moderne Kunst. Die originalgroße und autorisierte Nachbildung von „Das Große Glas“, die Ulf Linde zu Beginn der 1990er-Jahre in Schweden anfertigte, ist als Leihgabe des Moderna Museet Stockholm nun in Hannover zu sehen. Neben den „3 Stoppages étalon“ ((1913) 1964) als Leihgabe der Staatsgalerie Stuttgart und „From or by Marcel Duchamp or Rrose Sélavy“ (1935–1941), der sogenannten „Schachtel im Koffer“ aus der Sammlung des Sprengel Museum Hannover und weiteren Werken des Künstlers aus dem Besitz Reuterswärds sind zentrale Werke des Œuvres Duchamps in der Schau präsentiert.

Duchamps Arbeiten und seiner Person begegnen die jungen Schweden Öyvind Fahlström und Carl Fredrik Reuterswärd in der frühen Nachkriegszeit. Reuterswärd und Fahlström verbindet eine Vielzahl gemeinsamer Aktionen und Ausstellungen, die den Blick öffnen auf die wichtige schwedische Szene der 1950er- und 1960er-Jahre. Besonders ist, dass Duchamp in Schweden weniger als Begründer von Dadaismus oder Surrealismus, sondern vielmehr sein neuer Werkbegriff rezipiert wurde. Während Reuterswärd Motive Duchamps direkt in eigene Arbeiten aufnimmt wie etwa die „Siebe“ aus „Das Große Glas“, entwickelt Fahlström das Offene und Bewegliche des Kunstwerkes zu variablen Bildern weiter. Sein erstes variables Gemälde ist mit „Sitting…Six Months Later“ (1962), ebenfalls eine Leihgabe des Moderna Museet Stockholm, in der Ausstellung präsent.

BIOGRAFIEN

Marcel Duchamp (Blainville-Crevon, Frankreich 1887–1968 Neuilly-sur-Seine, Frankreich)
Marcel Duchamp zählt zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sein Hauptwerk „La Mariée mise à nu par ses Célibataires, même“ (oder „Das Große Glas“) (1915–23) überführt das kubistische Bild in ein abstraktes wie transparentes Diagramm. Es zeigt das mechanisch-funktionalisierte Verhältnis der Geschlechter zueinander. In dem französischen Titel ist der Vorname des Künstlers versteckt – ein erster Hinweis auf die ironische Selbstbetrachtung Duchamps.

Öyvind Fahlström (São Paulo, Brasilien 1928–1976 Stockholm, Schweden)
Öyvind Fahlström entwickelt in den 1950er- und 60er-Jahren ein visuelles System, das gelesen und enträtselt werden kann. Elemente aus Comics, Werbung und Zeitungen bereichern sein abstraktes Vokabular. Fahlström, der heute sowohl der Pop Art als auch der Konzeptkunst zugeordnet wird, ist besonders für seine variablen Kunstwerke bekannt, bei denen Teile des Werkes per Hand bewegt werden konnten.

Carl Fredrik Reuterswärd (Stockholm, Schweden 1934–2016, Landskrona, Schweden)
Im postmodernen Duktus entstehen Gemälde, Installationen, Skulpturen und Grafiken, Filme und Happenings, mit denen Carl Fredrik Reuterswärd Wortwitz, schnellen Geist und spitze Zunge unter Beweis stellt. Als John Lennon 1980 erschossen wird, schafft Reuterswärd eine Ikone, die damals wie heute für den Frieden steht: Den Revolver mit verknotetem Lauf, der vor dem UN-Hauptquartier in New York installiert ist.

Kurator*innen: Thomas Millroth, Norbert Nobis, Carina Plath, Paula Schwerdtfeger

Bildnachweis: Happening An-Aesthetic von Carl Fredrik Reuterswärd alias Charlie Lavendel, Allé Theater, Stockholm, 1963; © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Fotos: Archiv Thomas Millroth, Malmö


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