Thomas Ruff: tableaux chinois
14. Januar – 6. März 2021

David Zwirner Paris
108 Rue Vieille du Temple, Paris III

David Zwirner schätzt sich glücklich, in seiner Pariser Galerie eine Ausstellung aktueller Fotografien des deutschen Künstlers Thomas Ruff präsentieren zu können. Die Schau zeigt Werke aus der Serie tableaux chinois (2019-), die erstmals in einer im Herbst eröffneten Einzelausstellung im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf vorgestellt wurde und dort noch bis zum 7. Februar auf dem Programm steht.

Thomas Ruff (geb. 1958) etablierte sich Ende der 1980er Jahre als Mitglied der Düsseldorfer Schule, einer Gruppe junger Fotografen, die unter der Leitung von Bernd und Hilla Becher an der berühmten Kunstakademie Düsseldorf studierten, und die durch ihre experimentelle Herangehensweise an das Medium und seine neuen technologischen Fähigkeiten bekannt wurden. So arbeitet Ruff mit Methoden der konzeptuellen Serienaufnahme, um verschiedene Genres wie Porträt-, Akt-, Landschafts- und Architekturfotografie eingehend zu studieren.

Die Suche des Künstlers nach der «Grammatik der Fotografie» berücksichtigt nicht nur die Heterogenität seiner Themen, sondern auch die große Vielfalt der technischen Mittel, die er für die Produktion seiner Serien einsetzt, angefangen von der Verwendung traditioneller Verfahren bis hin zu den fortschrittlichsten digitalen Technologien, einschließlich fast aller technischer intermediärer Methoden.

Ruffs tableaux chinois sind aus dem langjährigen Interesse des Künstlers am Genre der Propagandafotografie entstanden, die eine ideologisch geprägte Version der Realität darstellt und im Widerspruch zur mimetischen Fähigkeit des Mediums steht. Der Künstler hat diese Lücke zwischen Repräsentation und Realität bereits in seinen Serien Zeitungsfotos (1990-1991) und Plakate (1996-1999) analysiert, hier aber erweitert er sein Aktionsfeld, um gleichzeitig das Analoge und Digitale miteinzubeziehen sowie das Kulturelle und Politische.

In den frühen 2000er Jahren stieß Ruff zufällig auf eine Veröffentlichung über Mao Zedong, die dem Leben des chinesischen Führers und dessen Leistungen gewidmet war. Er begann sich nicht nur für Mao als politische Figur zu interessieren, sondern auch als kulturelle Inspirationsquelle für eine Reihe westlicher Künstler – allen voran Andy Warhol. So erwarb Ruff zahlreiche Ausgaben des Magazins La Chine – der französischen Version einer Zeitschrift der Kommunistischen Partei Chinas, die speziell für Europa produziert und in den späten 1950er bis 1970er Jahren in mehreren westlichen Sprachen als Instrument zur Förderung des Kommunismus veröffentlicht wurde. Den Künstler faszinierten dieses ikonografische Material und die einzigartige Position Chinas, eines Landes, das sowohl technologisch fortgeschritten als auch ideologisch regressiv ist. Ruff begann, sich mit dieser Dichotomie auseinanderzusetzen und damit, wie er diese in einem einzigen Bild verkörpern könne.

Zur Schaffung dieser Werke hat Ruff zunächst die Bilder aus diesen Zeitschriften gescannt, die unter anderem lächelnde Soldaten, Panoramablicke, große Versammlungen und den Präsidenten Mao selbst zeigen. Dann hat er sie erheblich vergrößert, um die durch den Offsetdruck erzeugten Halbtonpunkte freizulegen, danach das Bild dupliziert und den Halbton in eine vergrößerte Pixelstruktur umgewandelt. Diese neuen Bilder hat er anschließend in zwei oder drei Schichten über den ursprünglichen Scan gelegt und diese Schichten danach teilweise wieder entfernt. Das daraus entstandene Bild weist daher sowohl den Halbton des „analogen“ Offsetdrucks auf als auch die „digitale“ Struktur des Pixelbildes. Ruff bringt dadurch die Techniken des 20. und 21. Jahrhunderts zur Herstellung von Propagandabildern des 20. und 21. Jahrhunderts zutage. Wie Susanne Holschbach betont: « Ruff hat visuell auf derselben Bildebene den technologischen Prozess der Herstellung von Fotografien für die Massenverbreitung zweier verschiedener fotografischer Epochen vereint ».

Der Titel der Serie ist eine Hommage an den 1932 geborenen isländisch-französischen Maler Erró, der für seine tableaux chinois aus den 1970er Jahren auf die Bildsprache der Pop-Art zurückgriff, um in einer Mischung aus Propaganda- und Alltagsbildern Persönlichkeiten aus dem kommunistischen China darzustellen, die vor touristischen Orten weltweit posieren.

Thomas Ruff wurde 1958 in Zell am Harmersbach geboren und studierte von 1977 bis 1985 an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf.

Eine Einzelausstellung seiner Arbeiten steht derzeit bis zum 7. Februar 2021 im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf auf dem Programm. Im Jahr 2018 wurde Ruffs Werk im Rahmen der Ausstellung Photography Spotlight im Victoria and Albert Museum in London zur Eröffnung des neuen Fotografie-Zentrums des Museums präsentiert. Dort stellte der Künstler Tripe vor, ein Ensemble unveröffentlichter Werke, die eigens für die Eröffnung des Zentrums in Auftrag gegeben wurden.

Weitere Einzelausstellungen des Künstlers wurden in der Whitechapel Gallery in London (2017) gezeigt; im Nationalen Museum für moderne Kunst in Tokio (2016), im Museum für zeitgenössische Kunst des 21. Jahrhunderts in Kanazawa in Japan (2016-2017); in der Art Gallery of Ontario in Toronto (2016); im Museum of Modern Art in New York (2014); im Stedelijk Museum (2014); in der Kunsthalle Düsseldorf (2014); im Haus der Kunst in München (2012); im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster (2011); im Centro de Arte Contemporáneo in Málaga in Spanien (2011); im Castello di Rivoli in Turin (2009); im Museum für Neue Kunst in Freiburg im Breisgau (2009); in der Kunsthalle Wien (2009); in der Műcsarnok Kunsthalle in Budapest (2008); im Moderna Museet in Stockholm (2007); im Sprengel Museum in Hannover (2007); im Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Genf (2004) sowie im Museo Tamayo Arte Contemporáneo in Mexiko-Stadt (2002).

In den Jahren 2001-2002 wurde die Werkschau Thomas Ruff: Photographs 1979 to Present in der Staatlichen Kunsthalle in Baden-Baden präsentiert. Diese wichtige Einzelausstellung des Künstlers wurde 2004 auch im Museet für Samtidskunst in Oslo gezeigt sowie im Museum Folkwang in Essen, in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München, im Irish Museum of Modern Art in Dublin, im Artium Centro-Museo Vasco de Arte Contemporáneo in Vitoria Gasteiz in Spanien, im Museu Serralves in Porto in Portugal, in der Tate Liverpool in Großbritannien und im Zentrum für zeitgenössische Kunst des Schlosses Ujazdowski in Warschau.

Die Werke des Künstlers befinden sich in Sammlungen internationaler Museen wie dem Art Institute of Chicago; dem Dallas Museum of Art; dem Essl Museum in Klosterneuburg in Österreich; dem Hamburger Bahnhof-Museum für Gegenwart in Berlin; dem Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, DC; dem K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf; dem Metropolitan Museum of Art in New York; dem Moderna Museet in Stockholm; der National Gallery of Victoria in Melbourne; dem Nationalen Museum für Fotografie in Kopenhagen; dem Solomon R. Guggenheim Museum in New York und dem Stedelijk Museum für Actuele Kunst (S.M.A.K.) in Gent.

Thomas Ruff wird seit 2000 von David Zwirner vertreten. Tableaux chinois ist die erste Ausstellung des Künstlers in der Pariser Galerie und seine elfte Werkschau mit David Zwirner. Zu den früheren Einzelausstellungen in der Galerie in New York gehören press ++ (2016), photograms and ma.r.s. (2013), Thomas Ruff (2010 und 2007), New Works (2005 und 2003), l.m.v.d.r. (2001) und nudes (2000). 2016 war New Works Ruffs erste Einzelausstellung in der Londoner Galerie, 2019 wurde in Hongkong Transforming Photography gezeigt. Ruff lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Bildnachweis: Thomas Ruff, tableau chinois_09, 2019, © Thomas Ruff/VG Bild Kunst, Bonn/Artists Rights Society (ARS), New York, Courtesy the artist and David Zwirner

 

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