SIGNS. ELEANOR MACNAIR. ONE WOMAN SHOW
9. Februar bis 22. März
Galerie Kleinschmidt Fine Photographs, Wiesbaden
Es geschehen immer noch Zeichen und Wunder. Erstere stammen von Eleanor Macnair und letztere sind ihre Geschöpfe. „Signs“ heißt die da brandneue Ausstellung der wunderbaren Eleonor Macnair lapidar. Diese wurde 1977 in Nottingham geboren. Der Titel ‚Signs‘ ist eine Huldigung an das große Vorbild Gillian Wearing, der Meisterin der Masken wie des Vexierbilds, deren ähnlich tönende Werkserie im
Originaltitel ungleich länger ausläuft. ‚Signs‘ ist dabei mehr als nur die griffige Kurzformel. Signs stellt ein ganzes Konzept dar: Was Fotografie war, dann in Nachahmung Knetbild ist, wird wieder zur Fotografie.
Eleanor Macnair ist damit – neben der ebenso großen Knete-Artistin Nathalie Djurberg – das weibliche Pendant im Trio und Demiurgin in der Kunstwelt der zeitgenössischen Fotokunst. Frank-frech-fröhlich hat sie allerlei Ikonen der Fotohistorie – gewissermaßen nach der Fotografie – geknetet und gewalkt. Und mit dieser ihrer Fingerfertigkeit der Transformation deren Werke wie deren Stellung neu gedeutet und gewichtet.
So entstand über die Jahre eine Art Who is Who der Fotografie. Das Konzept ist genial wie simpel: Nach dem Original [Fotografie] wird zuerst mal ein Knetbild gemacht. Nach dessen Fertigstellung und Vollendung wird das Knetwerk, das auf eine berühmte Ikone der Fotografie rekurriert, noch an der Wand ins Porträtlicht gesetzt und schließlich fotografiert. Das Original aus Knete wird am Ende zerstört und als Masse nach Farben sortiert recycelt. Die doppelte Umwandlung bewirkt so eine Reflexion von Form und Inhalt zudem. Das finale Werk gleicht nicht selten einer Offenbarung.
Eleanor Macnair knetet und kreiert – seitem sie eines späten Abends in der National Portrait Gallery im Jahr 2013 in London beim Workout nach verdientem Feierabend diese verrückte Idee zum Relaxen über-
kam: Tagsüber noch die Ikone vor Augen, abends das Werk auf dem Küchenbrett geknetet. Und sie tut das alsbald ganz furios. Ihre Figuren fühlen beinah mit ihr mit: Enttäuschung findet sublim ins Antlitz, Melancholie subtil in die Pupillen, Traurigkeit superb in den Blick. Noch den Anflug zarter Verbitterung zaubert sie um den Mund oder den Hauchjäh aufkommender Frustration in die Wangen ihrer Knetfiguren hinein.
Das Ergebnis übertrifft mitunter das ohnehin schon oft gloriose Vorbild, das als Porträt die Vorlage bildet. Das meist kunterbunt gehaltene Knetbild aus Kinderknete lässt den Betrachter verblüfft zurück: Wie wunderbar! Ist das schon Magie oder noch Photographs rendered in Play-Doh?
Derweil sind so viele Ikonen aus dem Olymp der Fotografie vertreten. Darunter auch Künstler der Galerie. Die ganze Liste an Knetwerk von 2013 bis 2023 ist dabei längst sechs veritable One Woman Shows lang.
Nebenbei lernt der Bewunderer wie im Spiel ‚ihre‘ Fotogeschichte. Nicht ganz ohne Stolz verweisen wir darauf, dass die Künstlerin in der Ausstellung ‚Home Sweet Home‘ bald mit drei Werken zwischen einer
runden Hundertschaft berühmter Originale der Moderne, jene verbürgt ganz echt-seriös in Ölfarbe oder in Ölkreide, von Beckmann, Bonnard, Degas, Chagall, Kirchner, Kollwitz, Macke, Modersohn-Becker, Munch, Münter, Pechstein, Picasso bis Schmidt-Rotluff und weiteren in Ingelheim hängt. Auch die andere Knetvirtuosin, Nathalie Djurberg, ist dort mit dabei.
Bildnachweis: Eleanor Macnair aus Serie ‚Signs‘ (2023) | Original by Keith Arnatt – Trouser Word Piece (1972) – Photograph rendered in Play-Doh.
Kleinschmidt Fine Photographs e. K.
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