Angela Stiegler „I treat my friends as sculptures“
20.11.2020 — 29.01.2021
OPENING DAY: DONNERSTAG, 19. NOVEMBER, 14:00 – 21:00 UHR
Die Galerie hat zu den regulären Öffnungszeiten geöffnet und am 19.11.2020 von 14 bis 21 Uhr
Insister nannte Jacques Derrida seine langjährige Freundin, Gesprächspartnerin, Echokammer Hélène Cixous. Sie hatte für ihn auch irgendeinen Namen. Sie arbeiteten miteinander und übereinander. Im Spiegel der Arbeit des anderen. Du sagst gerne, dass ‚bohemistische Forschung‘ einen ähnlichen Hintergrund in einem gemeinsamen Umfeld voraussetzt, eine spezifische individuelle Vielfalt, die aber doch auf eine geteilte Basis baut, auf ähnliche Probleme, ähnliche herausfordernde Erfahrung, die man überwinden oder auch erst mal nur greifen möchte. Für Derrida und Cixous galt das biographisch auf jeden Fall. Wir arbeiten oft miteinander, seltener übereinander.
Wobei ich ja immer wieder diese Aufnahmen von dir mache, die wir mit Vergnügen ‚biopic‘ nennen, von denen aber niemand so genau weiß, was sie sollen, was dich aber auch gar nicht zu stören scheint. Du arbeitest schon lange mit deinem Umfeld, ganz direkt, vielleicht auch als eine Art In-sister, in einem familiären Verbund. Die Schwester und die Insistiererin, die Besteherin, die Verfechterin. In deiner Arbeit ‚Anti Körper‘ wurde viel gekämpft, wobei der Kampf nicht auf Gewalt, sondern auf Kontakt gründete. Ein Konflikt basiert auf Nähe und nicht auf Fremdheit. Der Kampf prägte die ausgesprochen körperlich gehaltene Performance, aber auch alle Aushandlungsprozesse um ihre Entstehung an sieben aufeinanderfolgenden Tagen. Der Kampf als Kontakt. Du schützt eine größtmögliche Offenheit für Formen und Bedeutungen, die tatsächlich erst im Prozess ihren Platz finden dürfen und es auch tun, weil der Platz noch nicht besetzt ist. Die Insistiererin, die Tiererin, das Tier, um im Sinne Derridas die Identität als Behältnis aufzumachen. Im Austausch mit anderen entstehen Objekte und Praktiken, die oft erst im nächsten Schritt, wieder im Gespräch, im Kontakt, in Transformation, ihre Funktion finden. Die Arbeiten entwickeln sich in einem Biotop mit ‚companions‘, die keine klar abgegrenzten oder zugewiesenen Rollen haben. Sie stehen nie alleine und suchen fortwährend nach Begleitung. Es ist ein molekulares Interesse an diesen ‚companions‘, an den Freund:innen, die in Form von Punktwolken, auf Papier oder in Seife, als Antikörper die Arbeiten durchziehen.
Seife ist weniger giftig als Epoxidharz, sie ist billiger als Polyurethan, sie ist transparent, sie entfernt Bakterien. Sie geht einen Kampf ein. Das Verschwinden, die Auflösung, die stille Aggressivität der Seife macht Angst und in dieser Angst stehen die acht schwerbeweglichen Kilos auf ihren Sockeln, die objektgewordenen Kämpfe. Sie führen ein leises Eigenleben, in dem die feinen Farbpartikel zwar eingeschlossen sind, sich aber zugleich in einem ständigen unkontrollierbaren Wandel befinden. So findet sich auf den Sockeln eigentlich ein Prozess, der sich gewissermaßen nur als Objekt maskiert. Die Sockel sind eine Erhöhung und damit auch eine Überhöhung der Idee einer Abgeschlossenheit. Die Seife hat so gesehen keinen Aggregatzustand, ihre Aufgabe ist es, im Gebrauch zu verschwinden. Der darin wohnende unabgeschlossene Prozess lässt sich trotz aller Fixierung nicht mehr kontrollieren und jedes Eingreifen oder Eindringen würde eine grundlegende Veränderung der Form bedeuten. Die ebenso schwer kontrollierbaren Beziehungsprozesse werden zu Skulpturen und bringen sich wiederum selbst formgebend in diese Arbeit ein. Nicht nur du behandelst deine Freund:innen als Skulpturen, auch sie greifen bildhauerisch in deine Arbeit ein. Die Sockel aus ihren privaten Räumen werden zu Lastenträgern und Stützen in diesem neuen Biotop.
Die Arbeiten markieren daher zugleich auch einen Ort, einen physischen oder gedachten. Ein Haus ist nicht unbedingt ein Heim*, aber diese Skulpturen sind Behausungen für Freundschaften. Die ‚Residenz‘ und das ‚Reformhaus‘ geben diesen Biotopen einen Aufenthaltsort, ein bröseliges und schäumendes Zuhause.
Yulia Lokshina
* „This house is not a home“ – K 2020, Ausstellungstitel der Künstler:inneninitiative K in der Lothringer 13 Halle, München
Hinweis zu Covid-19:
Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Den Eröffnungstag gestalten wir entsprechend der aktuell gültigen Hygienebestimmungen: In der Galerie können sich 10 Leute gleichzeitig aufhalten. Wir bitten Sie, das Tragen von Masken und das Einhalten der Abstandsregelungen zu beachten.
Bildnachweis: Angela Stiegler, invitation card
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