FOTOGRAFIEN DER MODERNE AUS DER SAMMLUNG DES SPRENGEL MUSEUM HANNOVER
29. November 2023 bis 25. Februar 2024
Sprengel Museum Hannover
Mit der Ausstellung „Fotografien der Moderne“ bietet das Sprengel Museum Hannover erstmals einen Überblick über die künstlerische Fotografie der 1920er- und 1930er-Jahre aus dem eigenen Bestand. Diese Ära markiert einen Wendepunkt, an dem entscheidende Strömungen der Moderne zutage treten, insbesondere ein neues Sehverständnis. Dieses revolutioniert die Wahrnehmung von Fotografie, die bis dahin hauptsächlich dokumentarischen Ansprüchen genügen wollte, und verschafft ihr das Prädikat Kunst: Die im Jahr 1839 patentierte Bildform emanzipiert sich knapp 100 Jahre nach ihrer Erfindung vom Regelwerk der Malerei und wird sich ihrer künstlerischen Möglich-keiten als eigenständiges Ausdrucksmedium bewusst, was die Ausstellung anhand von 184 Arbei-ten in sechs Räumen veranschaulicht.
Eingangs widmet sich Kurator Stefan Gronert der Stilgeschichte, zu der das „Neue Sehen“ und die „Abstraktion“ gehören, darunter Werke der jungen Konstruktivisten Alexander Rodtschenko und El Lissitzky. Des Weiteren beleuchtet Gronert Veränderungen in klassischen Gattungsformen des Bildes, wie „Natur“ und „Porträt“:
„Die Fotografie bot zahlreiche Möglichkeiten, den Menschen als Individuum darzustellen, ins-besondere durch gestalterische Mittel der Verfremdung. Hierzu zählen Mehrfachbelichtun-gen, Verdoppelungen, Verschattungen, Solarisationen, Ornamentalisierungen, Collagen, un-gewöhnliche Perspektiven oder Anschnitte. Beispiele für derartige Techniken finden sich so-wohl im Werk von El Lissitzky als auch im Umfeld der experimentellen Fotografie. Künst-ler*innen wie Lucia Moholy, Paul Citroen und Florence Henri entwickelten im Kontext des Bauhauses neue Ideen. Diese sollten dem modernen Ideal des „neuen Menschen“ auch in Form eines neuen Porträts gerecht werden“, so Stefan Gronert.
Ein weiterer Fokus liegt auf neuen Bildmotiven der Moderne, dazu zählen Formen von Waren und Arbeitsweisen. Das ländliche Leben zeigen hier die Bilder aus der Reihe „Halligen“ von Albert Renger-Patzsch. Das Straßenleben dokumentierte Walter Ballhause in Hannover um 1930. Die beiden Serien bilden drastische Kontraste. Für einen weiteren Aspekt der Veränderung des modernen Lebens steht der Blick des niederländischen Fotografen Piet Zwart: Er widmete sich der Warenwelt des neuen Zeit-alters. Schließlich konzentrieren sich die beiden letzten Räume der Ausstellung mit Hein Gorny und Umbo auf Einzelpositionen. Umbo, 1902 als Otto Umbehr geboren, gehörte in den zwanziger Jahren zu den gefragtesten Avantgardefotografen.
HEIN GORNY
Hein Gorny (1904-1967) nimmt einen besonderen Platz in der Fotosammlung des Sprengel Museum Hannover ein: Seit 2018 befinden sich mehr als 2000 Fotos und Negative Gornys aus dem Besitz der Pelikan GmbH als Dauerleihgabe im Sprengel Museum Hannover. Entstanden in den Jahren 1931 bis 1938, fertigte Gorny Produkt-Fotografien im Stil der Neuen Sachlichkeit im Auftrag des Unterneh-mens an. Für Pelikan waren zuvor auch Künstler wie Kurt Schwitters, El Lissitzky und Wilhelm Wagen-feld gestalterisch tätig.
BEMERKUNGEN ZUR AUSSTELLUNG
Das Museum, das im Jahr 1979 eröffnet wurde und 1993 eine eigene Abteilung für Fotografie erhielt, konzentriert sich hauptsächlich auf den Erwerb zeitgenössischer Fotografien. Innerhalb der histori-schen Moderne umfasst die Sammlung etwa 1.000 von insgesamt 16.000 Inventarnummern. Der Großteil dieser Werke wurde in den letzten zwei Jahrzehnten in die Sammlung des Sprengel Museum Hannover aufgenommen.
Die gesammelten Werke der Moderne stammen größtenteils von männlichen Künstlern, wie auch die aktuelle Ausstellung zeigt. Die Dominanz männlicher Künstler lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. In der Abteilung für zeitgenössische Fotografie legt das Sprengel Museum Hannover heute bewusst Wert auf Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und breitere Vielfalt.
Besonders im Bereich der modernen Fotografie gibt es zahlreiche lokale Bezüge, die mit der Bedeu-tung der künstlerischen Fotografie in Hannover in den 1920er-Jahren zusammenhängen. Das Mu-seum strebt an, diesen Schwerpunkt in Zukunft beizubehalten und weiter zu vertiefen.
„Fotografien der Moderne“ zeigt Arbeiten von Walter Ballhause, Karl Blossfeldt, Paul Citroen, Hugo Erfurth, Alfred Ehrhardt, Gisèle Freund, Adolf Fuhrmann, Hein Gorny, Florence Henri, El Lissitzky, Lu-cia Moholy, Albert Renger-Patzsch, Alexander Rodtschenko, Jaroslav Rössler, Ernst Schwitters, Fried-rich Seidenstücker, Michel Seuphor, Anton Stankowski, Anton Josef Trčka, Umbo und Piet Zwart.
Bildnachweis: Albert Renger-Patzsch, Krabbenfischerin, aus der Serien Die Halligen, 1927; LeihgabeLand Niedersachsen, Schenkung Ann und Jürgen Wilde Copyright: Albert Renger-Patzsch / Archiv Ann und Jürgen Wilde, Zülpich; (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Sprengel Museum Hannover
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