17. Juni – 31. Oktober 2023
Kunsthaus Stade


Lange vor „Monty Python‘s Flying Circus“ (1969–74) hat Franz Winzentsen mit seinen fantastischen, oft surrealen Animationen im Fernsehen für Aufsehen gesorgt. Winzentsen (*1939), der sich selbst als Bildwerker und Filmemacher bezeichnet, ist auf vielen Gebieten ein künstlerischer Pionier. Sein Werk ist durchzogen von gesammelten Fundstücken, die ihm als Material für Figuren und Installationen dienen. Diese Objekte versetzt er über das Medium Film in Bewegung und erweckt sie zum Leben. Bis zu ihrer Auflösung in den 1980er-Jahren ist er Teil der Figurentheatergruppe „Rhabarber“, fertigt die Marionetten und Handpuppen und ist Mitspieler bei den Aufführungen.

Der Pionier
Der erste an der Hamburger Kunsthochschule (HFBK) gedrehte Animationsfilm wird dort noch als „bewegte Grafik“ bezeichnet. Es ist Winzentsens Examensarbeit, mit der er 1964 sein Studium der Malerei, Grafik und Fotografie beschließt. Er wird Mitarbeiter, später Partner, des von Helmut Herbst gegründeten innovativen „Cinegrafik“-Studios und entwickelt weiterhin freie Kurzfilme. Viele dieser Arbeiten werden mit Preisen ausgezeichnet und die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten vergeben zahlreiche Aufträge an ihn. Seine Spots fürs TV-Programm sind legendär, beispielsweise der Vorspann zur NDR-Grusel-Reihe „Mumien, Monstren, Mutationen“ (1967–90).

Film als Kunst
In den 1960er-Jahren ist Winzentsen Teil einer Gruppe freier Filmemacherinnen, die sich gegen die beengenden Normen der Filmwirtschaft engagieren. Gemeinsam organisieren sie im Februar 1968 die „Hamburger Filmschau“, das erste unabhängige Filmfestival in Deutschland. In diese Zeit fällt auch die Gründung der „Hamburger Filmmacher Cooperative“, einem Verband von Filmschaffenden, der einen Verleih für unabhängige Produktionen nach dem Vorbild der New Yorker „Film-Makers’ Coop“ betreibt und Film als ein Ineinandergreifen von Kunst und technischer Innovation begreift. Winzentsen arbeitet bis 1986 häufig mit seiner damaligen Frau, der Filmemacherin Ursula Asher-Winzentsen (1939), zusammen. Zu ihren gemeinsamen Animationsfilmen gehören Beiträge für die Sesamstraße, Kurzfilme wie „Starmaus“, „Als die Igel größer wurden“ oder die Serien „Geschichten vom Flüsterpferd“ und „Geschichten vom Franz“.

Ein großer Teil der Installationen und Filme Winzentsens verbindet reale als auch fiktive Figuren und Ereignisse mit historischen Begebenheiten. Er verwebt in einigen Arbeiten die eigene Biografie mit der deutschen Geschichte und bringt Kritik mit feinem Humor zum Ausdruck. Augenzwinkernd präsentiert er offensichtliche „Fakes“ um Denkräume zu erweitern. 1987 wird Winzentsen zum Professor an die HFBK berufen, um dort die Animationsfilmklasse aufzubauen, die er bis zu seiner Pensionierung 2002 leitet.

Maler und Zeichner
Winzentsen, der Malerei und Grafik studiert hat, hält auf seinen Reisen während der letzten Jahrzehnte die Landschaften zeichnerisch fest. Zurück in Norddeutschland dienen ihm diese Blätter als Inspiration für wiederum neue Zeichnungen, die immer eine Reduzierung, oft auch eine Abstraktion des Vorbildes ist. Das unendliche Schauspiel von Licht auf Wasser, Erde und Wolken, macht Winzentsen mit Farbe auf Leinwand sichtbar. In großen und kleinen Formaten entstehen seine „Horizonte“. Der „Sammler und friedliche Jäger“ Winzentsen nimmt Natureindrücke als verinnerlichte Fundstücke und entwickelt eigene intensive Darstellungen daraus. Die Reihe besteht mittlerweile aus mehr als 40 einzelnen Arbeiten und wird fortgeführt. Aus vielen dieser Einzelbilder entsteht 2021 ein Film zur Wechselhaftigkeit der Natur.

Ausstellung und Magazin
Die Ausstellung im Kunsthaus Stade bietet erstmals die Gelegenheit, einen Überblick über Winzentsens vielfältiges Werk zu gewinnen. Auf drei Etagen werden Filme, Puppen, Objekte und Installationen ebenso wie Zeichnungen und Gemälde präsentiert. Zur Ausstellung erscheint ein Magazin mit Texten von Hans-Michael Bock, Bernd Hof, Regina Wetjen, Franz Winzentsen und zahlreichen Abbildungen.

Bildnachweis: Franz Winzentsen, Flüsterpferd-Kopf an der Garderobe, undatiert © Foto: Museen Stade / Carsten Dammann


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