TUAN ANDERW NGUYEN „WHEN WATER EMBRACES EMPTY SPACE“
30. Oktober 2024 bis 4. Januar 2025
Hus für Medienkunst Oldenburg
In seiner neuesten Arbeit thematisiert der vietnamesisch-amerikanische Künstler die deutsche Kolonialgeschichte des heutigen Papua-Neuguineas. Er setzt sich mit dem Luf-Boot auseinander, das sich in den ethnologischen Sammlungen des Humboldt Forums in Berlin befindet. Nicht zuletzt durch die Publikation von Götz Aly ist eine Debatte um die Provenienz des Bootes entbrannt – Nguyễn nähert sich der Geschichte des Bootes künstlerisch in mehreren Videoinstallationen sowie mit einer Reihe von Objekten, die er in Zusammenarbeit mit den Nachfahren der damaligen Einwohner von Luf produziert.
Die Bilder eines majestätischen, handgeschnitzten Holzbootes stehen im Mittelpunkt der Einzelausstellung von Tuấn Andrew Nguyễn, When Water Embraces Empty Space. Videoinstallationen und Objekte, die im gesamten Haus verteilt sind, erzählen die bis in die Gegenwart reichende Geschichte dieses Boots. Das Luf-Boot, ein 16 Meter langes Ausleger-Segelboot, ist nach der Insel Luf in Papua-Neuguinea benannt, von der es stammt. Generationen von Menschen, die in Berlin aufgewachsen sind, kennen dieses großartige Objekt von Schulausflügen in das Ethnologische Museum in Dahlem. Seit 2020 befinden sich Stücke aus der Sammlung dieses Museums im Humboldt Forum, wo das Luf-Boot als Prunkstück der Institution präsentiert wird.
Das Humboldt Forum gab 2021 ein Video-Interview mit Nachfahren der wenigen Menschen von Luf in Auftrag, die die koloniale Gewalt überlebt hatten. Darin äußerten sie den Wunsch, das Boot zu sehen. Sie bedauerten, dass ihre Gemeinschaft das Wissen verlor, wie man solche Schiffe baut, und sie formulierten die Hoffnung, eine neue Verbindung zu dem Boot herzustellen.
An diesem Punkt setzten Tuấn Andrew Nguyễns Erkundungen an. In Zusammenarbeit mit dem Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg gelang es ihm, diese Delegation aus dem Video des Humboldt Forums nach Berlin zu holen und eine Begegnung mit dem Boot zu ermöglichen. Diese Begegnung wird in der Arbeit des Künstlers dokumentiert: Die Gruppe reflektiert über die Begegnung und die Möglichkeit, ein Boot nachzubauen – den Nachbau vielleicht gegen das Original auszutauschen?
Der Künstler sieht im Luf-Boot eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, zwischen der vorherrschenden Erzählung des deutschen Kolonialismus und den ausgelöschten Geschichten der Menschen in Papua-Neuguinea. Es ist eine Brücke zwischen Fakt und Fiktion, zwischen Zeugnis und Resilienz.
Aufregung um dieses Boot gab es zuletzt 2021, denn der Historiker Götz Aly hat in seinem Buch Das Prachtboot aufgedeckt, dass hinter der Ankunft des Luf-Boots in Berlin eine düstere und beunruhigende Geschichte steht. Das Objekt ist untrennbar verbunden mit der anhaltenden Gewalt, die von der kaiserlichen Marine und deutschen Kaufleuten auf die Bevölkerung von Papua-Neuguinea ausgeübt wurde. Der Wald und die natürlichen Lebensgrundlagen der Insel wurden zerstört und durch Plantagen ersetzt, auf denen die indigene Bevölkerung Zwangsarbeit leisten musste; indigene Frauen wurden von den Kolonisatoren vergewaltigt. Wenn sich Menschen auf der Insel gegen diese Grausamkeiten wehrten, befahl die kaiserliche Krone – wie im Fall von Luf – ihre Tötung durch sogenannte „Strafexpeditionen“.
Nach ihrer ersten Station in Oldenburg wird die Ausstellung in The Showroom, London und in The Goldfarb Gallery der York University in Toronto gezeigt.
Kuratiert von Edit Molnár und Marcel Schwierin.
Hintergrundinformationen:
Der Künstler TUAN ANDREW NGUYEN
* 1976, Sài Gòn, Việt Nam
lebt und arbeitet in Hồ Chí Minh City, Việt Nam
Die Praxis von Tuấn Andrew Nguyễn erforscht die Macht der Erinnerung und ihr Potenzial, als eine Form des politischen Widerstands zu wirken. Seine Forschung und sein Engagement gelten Gemeinschaften, die durch Kolonialismus, Krieg und Vertreibung traumatisiert wurden. Nguyễn untersucht die Auslöschungen, die das koloniale Projekt in bestimmten Teilen der Welt verursacht hat, indem er sich mit dem Verschwinden oder der Niederlage des historischen Gedächtnisses auseinandersetzt. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Gemeinschaften auf der ganzen Welt versucht Nguyễn, diese Strategien zu kultivieren und zu stärken. Strategien zu kultivieren und zu stärken, die von seinen Mitarbeitern angewandt und verkörpert werden. Durch diese Zusammenarbeit erforscht er Erinnerung als eine Form von Widerstand und Empowerment und betont die Kraft des Geschichtenerzählens als Mittel zur Heilung, Empathie und Solidarität. Nguyễn, der hauptsächlich in Saigon lebt, arbeitet in verschiedenen Medien, widmet jedoch einen Großteil seiner Aufmerksamkeit bewegten Bildern und Skulpturen. Nguyễn ist fasziniert von der Beziehung zwischen Erzählungen und Objekten, was ihn zu Projekten führt, die Bewegtbild und Projekte, die Bewegtbild und Skulptur kombinieren – oft beginnen viele seiner Filme mit einem Objekt, wie zerstörten Denkmälern, die von ehemaligen Flüchtlingen errichtet wurden, oder den letzten Nashörnern in Vietnam und seiner Geschichte. Nguyễn nähert sich der Erinnerung als immaterielles und abstraktes Phänomen und denkt oft über die Grenzen der Zeit (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) nach, was auch das Nachdenken über das Übernatürliche einschließt.
Nguyễn erhielt 1999 einen BFA von der University of California, Irvine und 2004 einen MFA vom California Institute of the Arts. Nguyễn hat mehrere Auszeichnungen in den Bereichen Film und bildende Kunst erhalten, darunter ein Art Matters-Stipendium im Jahr 2010 und ein Stipendium des VIA Art Fund. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter die Asia Pacific Triennial 2006, die Whitney Biennale 2017, die Sharjah Biennale 2019 und die Berlin Biennale 2022.
Nguyễn war 2006 Mitbegründer von The Propeller Group, einer kollektiven Plattform, die zwischen einem Kunstkollektiv und einem Werbeunternehmen angesiedelt ist. Zu den Auszeichnungen der Gruppe gehören der Hauptpreis der Internationalen Kurzfilmtage Winterthur 2015 für den Film The Living Need Light, The Dead Need Music und ein Creative Capital Award für ihr Videoprojekt Television Commercial for Communism. Neben einer großen Wanderretrospektive, die im MCA Chicago begann, hat das Kollektiv an internationalen Ausstellungen teilgenommen, darunter The Ungovernables [2012 New Museum Triennial], 2012 LA Biennial, Prospect3 [2014 New Orleans Triennial] und die Venedig Biennale 2015
Weiterführende Informationen: www.tuanandrewnguyen.com
Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst Oldenburg
Das Haus für Medienkunst ist ein Ort, an dem zeitgenössische Medienkunst ausgestellt und diskutiert wird, wie ein Kanal, durch den Informationen über Kunst, Gesellschaft und neue Medien fließen.
In einem regelmäßig wechselnden Ausstellungsprogramm werden innovative und experimentelle Positionen der internationalen Gegenwartskunst gezeigt. Präsentationen, Künstlergespräche und Workshops fördern den öffentlichen Diskurs über zeitgenössische Kunst und ihr Verhältnis zu der gesellschaftlichen Realität, in der sie entsteht.
Das Haus für Medienkunst unterstützt die Realisierung von mehreren neuen künstlerischen Projekten pro Jahr und leistet damit einen Beitrag zur künstlerischen Produktion, zur experimentellen Zusammenarbeit und zum kritischen Austausch. Wir betrachten diese neuen Auftragsarbeiten als wichtige Inspirationen für die Gestaltung des Programms und der Gesamtausrichtung der Institution.
Das Programm des Hauses für Medienkunst konzentriert sich nicht nur auf die Art und Weise, wie die heutigen Technologien die Gestaltung und Definition künstlerischer Ideen beeinflussen, sondern es würdigt auch Künstler, die die Vision und die Kraft haben, spekulative Entwürfe für die Zukunft zu entwerfen, indem sie die Gegenwart kritisch untersuchen.
Weiterführender Link: https://www.edith-russ-haus.de/ueber-uns/edith-russ-haus-Russ-Haus – Edith Russ Haus
Gefördert durch
Kulturstiftung des Bundes
Niedersächsische Sparkassenstiftung
Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
The Goldfarb Gallery
The Showroom
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag: 14 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Bildnachweis: Tuấn Andrew Nguyễn, When Water Embraces Empty Space, still, 2024, courtesy of the artist
Edith-Russ-Haus für Medienkunst
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