VISIONÄRE RÄUME. WALTER PICHLER TRIFFT FRIEDRICH KIESLER IN EINEM DISPLAY VON RAUMLABORBERLIN
22. November 2024 bis 30. März 2025
Kunstmuseen Krefeld / Kaiser Wilhelm Museum
Die Kunstmuseen Krefeld präsentieren eine Ausstellung, die zwei Größen der avantgardistischen Bildhauerei und Architektur des 20. Jahrhunderts in einem spannungsvollen Dialog vereint: Visionäre Räume. Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler bringt die Werke des österreichisch-amerikanischen Künstlerarchitekten Friedrich Kiesler und des österreichischen Architekten und Bildhauers Walter Pichler zusammen. Ihre experimentellen Ansätze und zukunftsweisenden Konzepte werden in einem innovativen Display von raumlaborberlin präsentiert. Das Berliner Kunst- und Architekturkollektiv greift den utopischen Geist der Künstlerarchitekten auf und überführt ihre Visionen ins Heute.
Der austroamerikanische Architekt Friedrich Kiesler (1890–1965), der sich nach seinen bahnbrechenden Ausstellungsdisplays und Architekturvisionen der 1920er-Jahre vermehrt dem Theater, der Lehre und der Skulptur zuwandte, trifft auf den österreichischen Bildhauer Walter Pichler (1936–2012). Dieser setzte in den frühen 1960er-Jahren mit seinen als alternative Wohnräume deklarierten Plastiken maßgebliche und international rezipierte Impulse. Beide begannen als Pioniere früh, herkömmliche Bauweisen in Frage zu stellen und dazu experimentell Alternativen zu entwickeln: biomorphe, skulpturale Architekturen oder architektonische Skulpturen. Mit rund 170 internationalen Leihgaben, darunter nie gezeigte Archivalien und Objekte, werden sechs thematische Stationen sowohl zentrale inhaltliche als auch formale Phänomene vergleichend vorstellen: archiplastisch, organisch, spirituell, sensorisch, performativ und funktional als Aktualisierungen der ästhetischen Interessen der beiden Künstlerarchitekten.
„Erstmals seit mehreren Jahrzehnten widmen wir eine Ausstellung der Architektur – neben Kunst und Design eine der drei Säulen der Programmatik der Kunstmuseen Krefeld – und ihrer Schnittstelle zur Skulptur. Die visionären Entwürfe von Kiesler und Pichler gewinnen heute neue Aktualität, da Nachhaltigkeit, menschlicher Maßstab und Funktion zentrale Themen der zeitgenössischen Architektur und Kunst sind. Diese beiden Avantgardisten definierten die Grenzen der Architektur neu und ebneten den Weg für innovative, nachhaltige und menschenzentrierte Baukonzepte. Sehr passend konzipiert hierzu nun raumlaborberlin das Ausstellungsdisplay und überführt diese progressiven Ideen von Kiesler und Pichler auf eindrucksvolle und nachhaltige Weise ins Zeitgenössische.“
Katia Baudin, Direktorin Kaiser-Wilhelm-Museum
Den spektakulären Auftakt bildet Kieslers Raumstadt – eine kühne Konstruktion, die einen ganzen Saal einnimmt. Dieses wegweisende Werk, das Friedrich Kiesler bereits in den 1920er Jahren in den Kreisen der Avantgarde wie De Stijl bekannt machte, lädt ein, die Grenzen der traditionellen Architektur neu zu denken. Der Rundgang führt durch verschiedene formale und inhaltliche Phänomene, die Kieslers und Pichlers innovatives Denken im Vergleich veranschaulichen. Das Endless House, Kieslers Erforschung eines idealen Wohnhauses, hebt die Grenzen zwischen Innen und Außen auf, seine Theorie des Correalismus betont die Wechselwirkung zwischen Mensch und Umgebung. Sein Buchprojekt Magische Architektur, für das er sich von Tier- und Pflanzenbauten inspirieren ließ, diskutiert ihn zudem als Vordenker des ökologischen Bauens.
Walter Pichlers Manifest-Ausstellung Architektur – gemeinsam mit Hans Hollein – formulierte 1963 eine frühe Kritik an der funktionalistischen Moderne, und führte ihn zu kompakt modellhaften Projektarchitekturen und seinen berühmten Prototypen: Die futuristischen Designobjekte zwischen Körpererweiterungen, Apparaten und pneumatischen Gebilden vermitteln sowohl die utopische Faszination der 1960er Jahre als auch Technikkritik. Später baute er in seinem Hof St. Martin an der Raab ein Environment je eigener architektonischer Gehäuse, die als Wohnungen für seine Objekte und Figuren zu verstehen sind.
„Beide Künstler, Architekten und Theoretiker vertraten mutig ihre eigenen Positionen und Ideen in Design, Kunst und Bauen, die dem stromlinienförmigen Zeitgeist widersprachen. So entsteht eine faszinierende Zeitreise durch avantgardistische Architektur- und Kunstkonzepte, die nun erneut an Relevanz gewinnen. Das Display von raumlaborberlin interpretiert diese inspirierenden Perspektiven und deren Potenzial für aktuelle Herausforderungen wie ressourcenschonendes Bauen und menschennahe Wohnkonzepte“.
Michael Krajewski, Kurator der Ausstellung
Das interdisziplinäre Kollektiv raumlaborberlin, gegründet 1999, übernimmt die künstlerisch-architektonische Gestaltung. Für das Ausstellungsdisplay verwendet raumlaborberlin recycelte Materialien, wie Stoffe, von lokalen Krefelder Unternehmen und eine alte Ausstellungsarchitektur des Museums. Das Display verleiht der Ausstellung eine zusätzliche nachhaltige und ortsbezogene Dimension und präsentiert die Werke von Kiesler und Pichler auf eine zeitgenössische Weise.
Zur Ausstellung entsteht im Studio2/KreativLabor im KWM, ebenfalls in Zusammenarbeit mit raumlaborberlin, außerdem das partizipative Projekt UtopiaLab.
Die Schau bietet in Deutschland den ersten umfassenden Überblick über das Schaffen von Walter Pichler seit 1987. Auch die Arbeit Friedrich Kieslers wird erstmals umfassend in Nordrhein-Westfalen und der Region BENELUX präsen-tiert.
Eine Ausstellung des Belvedere, Wien, in Zusammenarbeit mit den Kunstmuseen Krefeld, wird in Wien kuratiert von Verena Gamper sowie in Krefeld von Michael Krajewski.
Es ist ein Katalog erschienen, zweisprachig, hrsg. v. KStella Rollig, Katia Baudin und Verena Gamper. Mit Texten von Juliette Desorgues, Verena Gamper, Almut Grunewald, Michael Krajewski, Harald Krejci, Bart Lootsma, 264 S., zahlr. Abb., Verlag der Buchhandlung Franz und Walther König, Köln 2024, 29,80 Euro (ISBN-13: 9783753306643). Es erscheint dazu ein Supplement mit einem Interview mit raumlaborberlin und zahlreichen Abbildungen. Es erscheint dazu ein Supplement mit einem Interview mit raumlaborberlin und zahlreichen Abbildungen.
Bildnachweis: Walter Pichler, Pneumatischer Raum (Prototyp 5), 1966, Skulptur PVC-Folie, PVC-Ringe, Aufhängung mit Stahlseilen und Zugfedern, pneumatisch, elektrisches Gebläse, Gesamtdimensionen: 200 × 200 x 200 cm Rekonstruktion, Generali Foundation mit Walter Pichler, 2007, Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, Foto: Werner Kaligofsky, Bildrecht 2024
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