SCHÖNER WOHNEN
6. Juli bis 31. August 2024
Galerie Bärbel Grässlin
Mit dem Titel „SCHÖNER WOHNEN“ läutet die Galerie Bärbel Grässlin mit einem gewissen Augenzwinkern die diesjährige Sommerausstellung ein und zeigt Arbeiten von Michael Beutler, Günther Förg, Georg Herold, Ika Huber, Martin Kippenberger, Meuser, Tobias Rehberger, Andreas Slominski, Franz West und Heimo Zobernig.
Angelehnt an das gleichnamige Interieur-Magazin ist den ausgestellten Arbeiten gemein, dass sie entweder durch ihre Anwendbarkeit einen praktischen Gebrauchswert haben oder zumindest einen solchen nahelegen, durch ihre Form oder Betitelung an Gebrauchsgüter erinnern oder sich auf Architektur beziehen: sie erleuchten, teilen oder separieren den Raum, bieten vielfältige Möglichkeiten zum Sitzen, Liegen, Ablegen oder Aufhängen.
Im Eingangsbereich der Galerie hängt das Lampenensemble „Allein sein ist wunderschön…“ (2024) von Tobias Rehberger, das mit seinen mundgeblasenen Elementen an herabfallende Regentropfen erinnert. Ika Hubers Paravant „Noir d’lvoire“ (2012) bildet mit seinen fünf malerischen Elementen eine Einheit mit der Funktion eines Raumteilers. Der Hauptraum der Galerie gliedert sich in verschiedene Bereiche, die grob den jeweiligen Künstlern zugeordnet sind.
Auf einem magentafarbenem Teppich sind 3D-gedruckte Arbeiten von Tobias Rehberger arrangiert. Die Schichten beider Objekte verraten ihre maschinelle Produktion. Vorgefundene Modelle, wie es sie zu Tausenden im Web ständig verfügbar zum Download gibt, dienen dieser Werkgruppe als Vorlage. Mit simplen Manipulationen der Modelle durch Verzerrung, Maßstabsmodifizierung und der Ergänzung um Leuchtmittel hinterfragt Tobias Rehberger den Prozess der Formfindung eines Kunstwerks und begreift ihn als offen.
Die großformatige Farbfotografie „Barcelona Pavillon“ (1988/98) von Günther Förg zeigt eine Ikone der Architektur des 20. Jahrhunderts von Mies van der Rohe. Das Motiv des Pavillons wird zunehmend abstrahiert, indem er einen Ausschnitt der Architektur anvisiert.
Meusers „Hollywoodschaukel“ (2022) besteht aus gefundenem (Industrie-)schrott, also einem Material, was einst einen pragmatischen Nutzen hatte. Dieser Nutzen verschwindet jedoch nicht nur hinter der mechanischen Behandlung des Materials, sondern auch hinter der malerischen Behandlung der Oberfläche. Durch die Titulierung seiner Arbeiten treten sie in einen neuen Kontext und werden so zu wesenhaften Objekten.
Den Möbelskulpturen „Chaiselongue“ (2015), „Clubfauteuil“ (2015) sowie dem „Beistelltisch“ (2014/2024) von Franz West liegen ihre charakteristischen Benutzbarkeiten zugrunde. Sein vielseitiges Werk behauptet sich im Grenzbereich zwischen Skulptur und Aktion, zwischen Form und Nicht-Form, zwischen Funktionalität und Autonomität, zwischen Material und Eigenständigkeit.
Mit der „Mausefalle (2004) sowie der „Vogelfalle“ (2002) wendet Andreas Slominski die Funktion, den Kontext und den Inhalt eines Toilettenbürstenhalters und eines historischen Puppenkinderwagens um. Seine Arbeiten könnte man ganz allgemein als ein ästhetisches Erkunden von Alltagswahrnehmungen beiläufiger Art beschreiben.
Mit seiner Arbeit „Vitrine“ (1988) entwickelt Georg Herold eine von Witz und kritischer Ironie geprägte Bildsprache. Das zur Schau gestellte Arrangement aus ungewöhnlichen (Alltags-)Materialien wie der betongefüllten Handtasche, dem Bockgeweih und den beschrifteten Betonklötzen und Holzlatten steht neben des Künstlers Stirnrunzeln in ihrer eigentlichen Kunstferne und Inhaltsleere in einem Spannungsverhältnis zur komplexen Werkaussage.
Das „Wurstsofa II“ (2017) von Michael Beutler besteht aus gepressten Papieren, welche von Fruchtnetzen umwickelt die einzelnen Wurstelemente des Sofas bilden. Seiner Arbeit steht stets eine Protomaschine zugrunde, mit der die Materialien bedruckt, geknäult, umwickelt, gefalzt oder gewebt werden. Mit ihnen produziert er Installationen, die neue Aspekte des Raumes sichtbar machen.
Das Gemälde „Sanatorium Haus am See“ (1984) von Martin Kippenberger entstand in der Werkgruppe der Architekturbilder, in der inhaltliche und formale Ebenen miteinander verwoben wurden.
Die Form des Objektes von Heimo Zobernig, aus Pressspan mit weißer Dispersion unvollständig bemalt, ohne Titel (1999), ist an einen Bartresen angelehnt, erinnert in seiner formalen Reduktion jedoch auch an minimalistische Skulpturen, deren Perfektion die Arbeit durch ihre Materialität und Fertigung unterläuft. Wie die anderen ausgestellten Arbeiten bewegt sich der „Tresen“ zwischen der Funktonalität eines Gebrauchsgegenstandes und der „Zwecklosigkeit“ eines künstlerischen Objekts. Die Ausstellung stellt diese Ambivalenz zur Schau.
Text: Katharina Baumecker
Bildnachweis: Franz West, Creativity: Furniture Reversal, 1998
Galerie Bärbel Grässlin
Schäfergasse 46 B
60313 Frankfurt
www.galerie-graesslin.de