29. Juni bis 8. September 2024
Ludwig Museum im Deutschherrenhaus


Mit „Reflections“ stellt das Ludwig Museum rund 80 bedeutende Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus der Sammlung der National-Bank vor.

Der besondere Fokus der Sammlung liegt auf dem Kulturraum des Ruhrgebietes, auf Künstlerinnen und Künstlern aus Nordrhein- Westfalen, die vor allem mit der Düsseldorfer Kunstakademie verbunden sind und von denen zahlreiche zu internationalem Ansehen gelangten. Darunter die jeweiligen Rektoren Tony Cragg und Markus Lüpertz, aber auch ehemalige und heutige Professor* innen wie Katharina Grosse, Konrad Klapheck, Imi Knoebel, Klaus Rinke oder Katharina Sieverding. Weitere künstlerische Positionen werden unter anderem mit Werken von Candida Höfer, Richard Deacon, Bernd und Hilla Becher, oder Cornelius Völker gezeigt.

Sir Tony Cragg, eigentlich Anthony Douglas Cragg (geb. 1949 in Liverpool, Großbritanien, und seit 1977 in Wuppertal beheimatet) ist einer der führenden Vertreter der „New Britsh Sculpture“. Seinen unverkennbaren skulpturalen Stil zwischen Gegenstandslosigkeit und biomorpher Abstraktion wendet er auf einzelne Objekte an, die aus Materialien wie Holz, Metall, Kevlar und Kunststoff bestehen. Die Faszination der Skulpturen von Tony Cragg nährt sich aus der unendlichen Variation von Formen und Stoffen sowie der sich stets in morphologischer Verschmelzung begreifenden Veränderung. Viele der aktuellen Skulpturen befinden sich in einem gleichsam transitorischen Seinszustand. In neuerer Zeit zeichnet sich dies ab in Skulpturen, die wie fließend in den Raum hineingreifen und von erosiven Kräften geformt zu sein scheinen. In immer komplexeren Formungen erweisen sie aktuell eine neue, dichte Verflechtung, die ihre Referenz in der Natur findet.

Die Malerei ist die Königsdisziplin von Markus Lüpertz (geb. 1941 in Reichenberg, heute Liberec, Schweiz). Viele seiner Werke werden dem Neoexpressionismus zugeschrieben. Die Kunstkritik zählt ihn in den 60er Jahren zu den Neuen Wilden. Von 1969 an bis 1977 malt er in der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte vorwiegend “deutsche Motive” in großen Formaten. Seit 1980 entwirft Lüpertz verstärkt Skulpturen, die häufig eine Auseinandersetzung mit klassischen Motiven der Mythologie suchen: Sein Werkzyklus „Ohne Titel (Merkur)“ von 2007 und die drei Skulpturen gleichen Namens „David“ (2014) veranschaulichen Lüpertz expressiv-monumentalen Arbeitsstil, der zugleich gegenständlich und abstrakt erscheint.

Der wie Tony Cragg in Großbritanien geborene Richard Deacon (1949 in Bangor/ Wales), der zu den bedeutendsten Vetrtetern der „New Britisch Sculpture“ zählt, ist für seine meist großformatigen, abstrakten plastischen Werke bekannt. Von 2009 bis 2015 war Richard Deacon Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf. Für seine meist großformatigen, abstrakten plastischen Werke nutzt Deacon verschiedenste Materialien, setzt sich intensiv mit deren Möglichkeiten auseinander und leitet aus diesem Arbeitsprozess skulpturale Formen ab, die auf anatomische oder organische Lebensformen anspielen. Das zeichnerische und graphische Werk Deacons evoziert ebenfalls biomorphe oder kristallinen Formen, betont jedoch deren Fragilität, Leichtigkeit und Dynamik.

Der deutsche Maler und Grafiker Konrad Klapheck (geb. 1935 in Düsseldorf) ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Vertreter der gegenständlichen Malerei. In seiner OEuvre verbindet Klapheck Merkmale des Hyperrealismus, Surrealismus, aber auch der Pop Art zu einem eigenen Stil. Seit den 1990er Jahren wandte sich Klapheck dem Porträt und der Aktmalerei zu und erschuf ganzfigurige Porträts seiner Freunde und Kollegen aus dem Kunstbetrieb.

Die deutsche Künstlerin Katharina Sieverding (geb. 1941 in Prag) gehört zu den Pionieren der Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Fotografie. Nach Studien an der Hamburger Hochschule für bildende Künste ging K.S. nach Düsseldorf, wo sie die Kunstakademie als Meisterschülerin von Joseph Beuys absolvierte. Seit Mitte der 1970er Jahre entstehen in Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen monumentale Fotoarbeiten, in denen sie sich oft selbstreflexiv als Motiv einarbeitet. Obwohl sie auch die Rollenverteilung von Mann und Frau thematisiert, betrachtet sie sich nicht als ausgesprochene Feministin. Vielmehr stellt sie ihre Sujets in einen umfassenden, kosmischen Zusammenhang, in dem alles mit allem verbunden ist.

Candida Höfer (geb. 1944 in Eberswalde) zählt neben Andreas Gursky, Thomas Struth, Thomas Ruff oder Axel Hütte zur internationalen fotografischen Avantgarde der Gegenwart. Sie gilt als Vertreterin der Düsseldorfer Fotoschule. Obwohl Höfer zu Beginn ihrer künstlerischen Arbeit hauptsächlich Menschen fotografierte, wurde sie durch Aufnahmen von zumeist öffentliche Innenräumen bekannt– Cafés, Museen, Bibliotheken, Sporthallen oder Konzertsäle -, in denen Menschen vollkommen fehlen. Diese erscheinen hier nur als abwesend, sind sie doch in der Realität der abgelichteten Räume kennzeichnend für deren Funktion. Die von Candida Höfer dokumentierten Räume erhalten in ihren Farbfotografien eine ganz eigene Präsenz, die über die funktionale Bedeutung der Räume hinausgeht.

Die 1961 in Freiburg geborene Katharina Grosse studierte an den Kunstakademien Düsseldorf und Münster und war von 2010 bis 2018 als Professorin für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Katharina Grosse ist international bekannt für ihre expansiven Spray-Arbeiten, die sie vor Ort ausführt und dabei häufig den Außenraum mit einbezieht (so zum Beispiel ihre Außenskulptur „In seven days time“ im Außenbereich des Kunstmuseums in Bonn). Die Sammlung der National-Bank enthält darüber hinaus wertvolle Leinwandarbeiten der Künstlerin, die im Atelier entstanden sind. Das großformatige, kraftvollen Gemälde „O.T.“ (2017) unterläuft die konventionellen Beziehungen von Vorder- und Hintergrund, Oberfläche und Untergrund, Bildfläche und Bildrand und eröffnet neue Vorstellungswelten innerhalb und außerhalb des Kunstwerks.

Imi Knoebel (geb. 1940 in Dessau) setzte sich bereits als Student von Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf mit der Befreiung der Kunst von jeglichen Inhalten und Funktionen auseinander. In der Folge entsteht – mit Kasimir Malewitsch‘ revolutionärem Schwarzem Quadrat als Ausgangspunkt – ein grundlegendes Formenvokabular, aus dem er rigoros abstrakte Werke entwickelt. Sein minimalistisches Werk hat Knoebel seit den 1960er Jahren kontinuierlich weiterentwickelt.
Anlässlich seines 75. Geburtstags richtete das Kunstmuseum Wolfsburg 2014 eine umfassende Retrospektive zum OEuvre des mehrfachen documenta-Teilnehmers aus.

Pia Fries (geb. 1955 in Beromünster, Schweiz) studierte an der Kunstgewerbeschule Luzern und an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sie als Meisterschülerin von Gerhard Richter abschloss.
Die Malerei von P. Fries bewegt sich oft an der Grenze von Gegenständlichkeit und Abstraktion. Häufig nutzt sie auf den Malgrund aufgebrachte Siebdrucke von historischen Druckgrafiken als Ausgangspunkt komplexer Übermalungen und erzeugt auf diese Weise einen intensiven dynamischen Gesamteindruck.

Leunora Salihu (geb. 1977 in Pristina, Republik Kosovo) ist eine der jüngsten Künstler*innen der Sammlung. Sie schlug als Bildhauerin schon früh einen individuellen Weg ein. In ihren abstrakten Skulpturen kombiniert die Meisterschülerin von Tony Cragg häufig verschiedene Materialien wie Keramik, Holz und Metall. Anhand dieser Raumkörper erforscht sie die Möglichkeiten und Grenzen von Bewegungen durch die Wiederholung von organischen und konstruktiven Formelementen. Mit ihrem vielschichtigen Vokabular verknüpft Salihu charakteristische Eigenheiten verschiedener Stoffe und vermischt dabei die Grenzen zwischen Skulptur und Sockel, zwischen Innen und Außen.

„Reflections“ stellt einen umfassenden Querschnitt aus dem Sammlungskonvolut dar, der die Vielfalt und Bandbreite der darin vertretenen Künstlerinnen und Künstler und ihrer künstlerischen Praxis offenbart. Die Ausstellung verdankt sich der Zusammenarbeit mit der Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog (dt./ engl.) mit Beiträgen von Thomas A. Lange und Beate Reifenscheid im Wienand Verlag, Köln, 2024, 35 E.

Pia Fries: „Aquila“, 2012, Öl und Siebdruck auf Holz, 145 x 170 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2024


Ludwig Museum im Deutschherrenhaus
Esther-Bejarano-Str. 1
56068 Koblenz
www.ludwigmuseum.org

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